Seitenbanner

Brief vom 6. Juli 1710

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


732.


[252]
Versaille den 6. Julli 1710.
Gott seye lob undt danck, unßer jung par ist geheüraht[1], nun kan nichts mehr dazwischen kommen. Der duc de Bery hatt seine braut hir geholt; wir seindt alle ins Königs cabinet, von dar in die capel. Es ist nicht außzusprechen, waß ein volckwerck überall geweßen. Auff der großen stiege war es recht schön zu sehen; die eine rampe, wo man nicht herrunder gangen, war gantz voller gebutzten damen; von unten biß oben, alle gallerien, kammer, alles war voll. Es fehlte nichts ahn dem marsch alß paucken undt trompetten; wir hatten aber nur die Schweitzer drumb in der capel. Es ist eine große mahlzeit bey der duchesse de Bourgogne: mons. le dauphin, mons. le duc de Bourgogne, mons. le duc de Bery, made la duchesse de Bery, mein sohn undt viel damen. Ich glaube, man meint, es solle mich verdrießen, daß man mich nicht auch zum eßen gebetten, aber heütte kan mich nichts verdrießen; das gröste, nehmblich unßer heüraht, ist geschehen, das wolte ich, bin deßwegen gar woll zufrieden; das ist essentiel, das andere seindt nur bagatellen. Umb zu erweißen, daß es mich nicht verdroßen, habe ich die Großhertzogin[2] undt meine zwey enckel, madlle de Valois undt madlle de Chartre[3], zu gast gebetten undt mitt mir eßen machen, undt bin gar nicht betrübt, sondern recht lustig. …
Die gutte fraw von Harling hatt mir gelernt, daß man sagen muß, wenn man auffstehet oder schlaffen geht: Das walte Gott der almächtige, Gott vatter, sohn undt h. geist. Amen, undt daran fehle ich gar selten. Umb den Czaarwitz manirlich zu machen, solte man ihn E. L. unter händen geben, sie würden waß beßers auß ihm machen, alß die Königin in Poln. Es ist doch gutt, daß printzes Charlotte keinen widerwillen gegen ihn hatt undt ihn nicht unahngenehm findt. E. L. wißen, daß ich allezeit sage: ich fürchte, daß es hertzog Anthon Ulrich mitt der zeit gerewen wirdt, sein enckel in das so gar raue landt von Moscau geschickt zu haben. Der gutte hertzog sagt alß er glaube, E. L. würden ihn endtlich mitt ihren contreversen reformirt machen …
Der König ist allezeit gar scrupulos geweßen, winde gehen zu laßen, aber mons. le dauphin undt ich haben offt in die wette geschoßen, wer ahm [253] meisten winde laßen könte, undt unß gar woll darbey gefunden. Bey dießen sachen ist es nur, wie man es macht, undt ich finde es sehr überzwerg[4], daß man zum nießen Gott segne sagt undt große reverentzen macht undt die unterwinde muß man verhalten, so zehnmal mehr schaden undt große coliken geben können …
Hette mich I. G. der Churfürst recht lieb gehabt, hette er mich nicht hergeschickt, undt E. L. wißen woll, daß ich gar keine lust dazu hatte undt woll vorher sahe, wie alles abgehen würde; aber es war mein verhengnuß so, undt dem entgehet man nicht …
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. Juli 1710 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 252–253
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0732.html
Änderungsstand:
Tintenfass