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Brief vom 11. September 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


769.


[284]
Fontainebleau den 11. September 1711.
… Es ist mir lieb, daß der gutte hertzog Anthon Ulrich in seiner rückreiß zu E. L. kommen wirdt undt den Czaarwitz mittbringen; ich bin gewiß, daß E. L. den Czaarwitz manirlicher machen werden undt die münchenkut abziehen, so er noch ahn hatt, welches nicht fürstlich stehet. Mich verlangt recht, zu hören, wie E. L. ihn werden gefunden haben. Von dem abbé de Bouquoy[1] habe ich hir mein leben nichts gehört; ich habe auch nach ihm gefragt, kein mensch kent ihn. Es muß [nicht wahr sein?], daß er in der bastillen gestocken hatt. Ich kan nicht begreiffen, wie man sich von der bastillen salviren kan; die fenster seindt klein, die thürm abscheülich hoch; die fenstern seindt alle gegittert; es ist also nicht zu begreiffen, wie er es muß gemacht haben. Das hatt mons. de Louvoy[2] auffgebracht, daß man die leütte nicht sagt, warumb man sie gefangen setzt. Ist, wie nicht zu zweyfflen, eine straffe in jener weldt, muß mons. de Louvois es fühlen vor alles übels, so er gestifft hatt. Ich bin fro, daß E. L. divertissement von dießem abt[3] haben, denn nun E. L. allein sein, haben sie dieße verenderung woll von nöhten. Ich habe allezeit hören sagen: ein nar allezeit mehr verstandt hatt, alß ein sot; dießer abbé muß ein rar personage sein.
Ich bin ein gar schlechter poet, habe doch einmahl ein liedt gemacht: Mons. le dauphin s[eelig] aß gar gern stöhr; alß mons. de Vandosme vor Barcelonne war, umb es einzunehmen, wie er auch that, erwartete man alle augenblick den Chemereau[4] (so nun auch todt ist), umb die zeittung von der eroberung von Barcelonne zu bringen. Auff einmahl kam ein courier mitt der postchaisse nach Meudon; man glaubte, es were Chemereau, das geschrey ging gleich überall, daß Barcelonne über were. Wie die chaisse aber ahnkommen war, fandt es sich, daß in der chaisse ein stöhr war, den mons. Dantin[5] in aller eyll ahn mons. le dauphin schickte, umb frisch gegeßen zu werden. Das kam mir so poßirlich vor, daß ich dieß liedt drauff machte:
Voila donc Barcelone pris,
Chemereau arive et le dit,
Ce n’est qu’une medisance;
Estorgeons[6] en diligence
Par d’Antin est envoié
Au grand dauphin de la France.
C’est la pure verité
.
[285] Nun kan wol kein mensch mehr zweyfflen, daß der Czaar nicht gewonen undt den frieden gemacht hatt, aber ich finde doch, daß es eine abscheüliche verrehterey von den Türcken ist, den frieden ohne den König in Schweden gemacht zu haben. Kein mensch in der weldt wirdt sich sein leben dem vertrawen können. Der König in Schweden jammert mich recht; aber er ist auch gar zu rachgirig, alle Könige, so ihm waß gethan, so ihm mißfahlen, detronisiren zu wollen. Wo wirdt aber dießer arme König endtlich hin? Ich halte ihn vor sicherer in des Czaar [schutz?], der ein genereuser herr ist, alß bey den bößen Türcken. Der König in Schweden wirdt woll seinen frieden wider seinen willen machen, denn Könige können sich nicht in duel schlagen undt herauß fordern, wie edelleütte, also muß er woll frieden machen, aber nach aller aparentz wirdt er woll nicht avantageux vor den König in Schweden sein; der arme herr ist zu beklagen. Das ist gewiß, daß der itzige Czaar ein ewigs lob erworben, alles wilde von seinem landt weg gethan zu haben undt sie zu rechten menschen gemacht zu haben; das estimire [ich] mehr alß wenn er zwey schlagten gewunnen hette, denn diß kompt allein von seinem eygenen verstandt, undt in den schlagten haben die andere generalspersonen woll so großen theil ahn …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. September 1711 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 284–285
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0769.html
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