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Brief vom 10. Dezember 1711

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


778.


[296]
Versaille den 10. December 1711.
… Wenn die übersetzte teütsche commedien abgeschrieben weren, wolte ich E. L. demütigst bitten, mir einige davon zukommen zu laßen, denn ich habe allezeit ahn I. G. dem Churfürsten, mein herr vatter seelig, sagen hören, daß die spanische commedien weit über die frantzösche gingen, aber daß die englische über alles gingen; sie ließen auch eine übersetzen, so mein bruder mitt den pagen undt studenten gespilt, so recht schön war, nehmblich [297] des Sejanus untergang[1]. Das macht mich noch curieuser, die zu sehen, so E. L. loben. Ich habe woll gedacht, daß Langallerie[2] sein buch nicht gemacht hette, gelehrt ist er gar nicht, aber den krieg verstehet er gar woll; er hette woll gethan, nie kein buch zu machen, denn das er gemacht undt trucken laßen gegen mons. de Chamillart[3], hatt ihm den halß gebrochen; es war auch eine große thorheit, die warheit zu bekennen. E. L. schicke ich hirbey eine andtwort von mons. Baudelot[4], so von der academie ist, vor den herrn Leibenitz. Wie ich sehe, so wirdt der Czaar so woll des herrn Leibenitz heros, alß der meine. Die Czaarwitzin jammert mich recht, ich fürcht alß daß es übel ablauffen wirdt, wenn I. L. in dem landt sein werden. Ist es auß politic, daß die Czaarwitzin so heßliche damen zu sich genohmen hatt? fürcht sie, daß ihr herr, so so devot ist, neben hin schleichen würde? Was der Czaar sagt, gefahlt mir; allein ich wolte, daß er ein wenig manirlicher were undt politesse lehrnen könte. Wie mir der König letztmahl die gnade that, mich zu besuchen, sprachen sie vom Czaar undt lobten ihn sehr. Mich deücht, daß seine leütte, so die politesse wißen, ihm leicht die schmutzige maniren abgewehnen könten: alß heßlich eßen undt die naß mitt der handt butzen undt was dergleichen mehr sein mag … Es wirdt ein traueriger abschiedt zu Magdeburg gewest sein. Die Czaarwitzin jammert mich recht, ich fürcht sehr, daß sie nicht glücklich in dem rauen landt sein wirdt, denn sie kan nicht allezeit bey dem Czaar sein, undt des Czaarwitz maniren gefahlen mir nicht; ich finde I. L. zu pedantisch, umb ein ahngenehm leben führen zu können, undt das mönchenleben, worin man ihn erzogen, darauß kan nichts ahngenehmes folgen. Gott gebe, daß ich mich in meiner meinung betriege; man wirdt baldt hören, ob ich recht gerahten habe. Die liebe scheint doch starck, daß der Czaarwitz hinfüro inseparabel von seiner gemahlin sein will. Liebe were gutt, wenn sie allezeit bleiben könte, aber mons. de Terme[5] pflegt zu sagen: quand l’himen met deux amants au lit, l’amour s’enfuit, also fürchte ich, daß, wenn sie so inseparabel sein werden, daß sie einander endtlich gantz müde werden, undt worauff leicht der haß erfolgt.
Es ist mir hertzlich leydt, daß der frieden in so schlechtem standt zu Utrecht ist, denn ich gestehe, ich mögte meine wenige jahre, so ich noch zu leben habe, gar gern in frieden zubringen …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 10. Dezember 1711 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 296–297
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0778.html
Änderungsstand:
Tintenfass