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Brief vom 5. März 1712

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


786.


[303]
Versaille den 5. Mertz 1712.
… Der König jammert mich von hertzen; er zwingt sich, umb gutte minen zu machen, undt man sicht doch, daß er innerlich leydt. Gott erhalte unß den König, sonsten wirdt es doll hergehen. Man fürcht schon, daß mein sohn part ahn der zukunfftigen regirung mögte haben, drumb will[1] sie ihn zu Paris undt bey hoff odieux machen undt machen das geschrey von gifft, wie ich E. L. schon geschrieben. Es stirbt niemandts bey hoff, daß sie ihm die schuldt nicht geben; mons. de Seignelay[2], so geschwindt gestorben, soll er auch vergifft haben, suma es ist keine boßheit, so man nicht gegen ihn außtregt.
Man muß printz Eugene nicht so heßlich zu Londen[3] finden, alß in Hollandt. Wenn tapfferkeit undt verstandt ein hero machen, so ist printz Eugene gewiß ein heldt, gehören aber mehr tugenden dazu, mögte es woll hapern. Wie er dame Simene undt dame Lansiene[4] war, sahe man ihn nur vor ein petit salop ahn, [er] begehrte auch damahls nur 2000 thaller auff ein benefice, das wurde ihm wegen seiner abscheülichen desbauche abgeschlagen; drumb ging er weg nach dem keyßerlichen hoff, wo er seine fortune gemacht. Sein demanten degen wirdt das schönste ahn ihm sein, so ihm die Königin Anne geben hatt. Ich finde, wie ich schon offt gesagt, daß die Königin Anne recht hatt, Marlbouroug zu straffen[5]; seine fraw undt er [304] seindt gar zu insolent gegen die Königin geweßen; aber das parlement solte ihn recompensiren, denn er hatt woll gedint; karchsein wirdt nie gestrafft, wenn man nicht stehlt …
Ich habe woll gedacht, daß E. L. keine große aplication haben, ahn Dero englische affairen zu gedencken. E. L. haben woll recht, daß kein Königreich mitt eine gutte gesundtheit zu vergleichen ist. Ich erinere mich noch gar woll, wie I. M. die Königin in Böhmen nach Englandt fuhr undt E. L. I. M. schon in ihrem schiff funden; ich bekam den durchlauff. Ich erinere mich auch noch, daß ein wenig zuvor, ehe E. L. nach Pirmond, kam die zeittung von der Königin s[eelig] todt[6]. Also kan ich E. L. ohnmöglich nach Englandt wünschen …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. März 1712 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 303–304
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0786.html
Änderungsstand:
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