Seitenbanner

Brief vom 19. März 1712

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


790.


[307]
Versaille den 19. Mertz 1712.
… Ich kan die ursach nicht erdencken, warumb mein sohn zu Paris so sehr gehast, er hatt sein leben niemandts nichts zu leydt gethan undt Monsieur s[eelig], sein herr vatter, undt ich seindt gar nie zu Paris gehast geweßen undt ich bins noch nicht. Ich glaube die warheit zu sagen, daß der ahnfang von dießem spiel ist, daß viel von meines sohns domestiquen jalous von Homberg waren, weillen mein sohn viel von ihm helt, undt es auch ursach [hat], denn es ist ein wackerer, gelehrter, ahngenehmer mann, der allezeit lustig ist undt von recht gutt geselschafft; die domestiquen haben nun gemeint, Humberg zu schaden, wenn sie außbrachten, daß Humberg mitt gifft umbgeht; aber die politiquen, so meinen sohn fürchten undt in anderer leütte interesse sein, wie auch die, so fürchten, daß mein sohn in den raht könte kommen, undt [weil er] mehr verstandt undt wißenschafft alß andere [hat], hatt man ihm dieß stückelgen ahngethan, denn ich habe alles genau examinirt, der König glaubt die sach gar gewiß nicht noch diejenigen, so es außbreiten, aber man breidt es in dem peupel auß, meinen armen sohn audieux[1] zu machen. Ich hoffe doch, da man nun sicht, wie woll der König die sach genohmen, man wirdt behutsamer gehen. Wenn caballen hir waß unterfangen, glückt es leicht, hir seindt die glauben nicht frey wie in Teütschlandt, gefangnuß undt exil folgen darauff. … Wenn der König nicht schießen noch nach Marly fährt, ist er den gantzen nachmittag bey mad. de Maintenon; er arbeydt dort mitt den ministern; alle abendts blaudere ich auff mein best ins gelach hinein; etlichmahl mache ich den König doch schmuntzeln über was ich vorbring. Hir ist es nicht wie in Hollandt, es ist niemandt erlaubt, von stahtssachen zu reden, alß die minister; es reden woll mehr davon, es wirdt aber übel auffgenohmen. Ich will E. L. haben, wo sie gesundt undt lang in ruhen leben könten, undt weillen ich persuadirt bin, daß Londen ungesundt, die see gefährlich, die Englander dolle undt schwürige köpff sein, kan ich E. L. nicht dorthin wünschen; E. L. seindt die lufft undt [308] nahrung von Hannover gewohnt; [sich] an neüe lufft zu gewehnen, geht allezeit schwer her undt macht gefährliche kranckheitten, wobey mir gar zu erschrecklich bang vor E. L. werden. Diß seindt die eintzige ursachen, warumb ich mich nicht resolviren [kann], E. L. Königin in Engellandt zu wünschen.
Ist keine justitz nirgendts vor so dolle undt brutale fürsten, wie der von Anhalt[2] ist? Mich deücht, er meritirte all sein leben eingesperdt zu sein, denn so ein kerl ist eben so gefährlich, alß ein wüttender hundt; sein heüraht weist kein großen verstandt, auch keinen erhabenen geist, allezeit sich mitt grenadiers zu encanailliren …
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. März 1712 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 307–308
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0790.html
Änderungsstand:
Tintenfass