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Brief vom 8. April 1712

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


793.


[309]
Marly den 8. Aprill 1712.
… Mein sohn undt ich wißen leyder nur zu woll, wer die sein, so ihm alles auffbringen undt ihn wollen verhast machen undt mich auch; sie hatten sich aber noch nicht so clar erwießen alß nun, wenn E. L. nur wollen reflection machen auff die, so mich allezeit gehast haben. Es ist eine gantz eygene cabale, denn der hoff ist voller cabalen ärger, alß nie; wenn ich einmahl eine sichere gelegenheit werde finden, will ich E. L. dießes alles [310] expliciren undt [E. L.] werden sehen, daß ich nur gar zu groß recht habe, allarmirt zu sein; weillen ich aber nichts in dießer sach thun kan, habe ich mein parthey gefast undt alles in Gottes willen ergeben, ohne welchen doch nichts in der welt geschehen kan, gehe meinen geraden weg fort undt thue alß wenn ich nichts von der sachen wüste; warne doch meinen sohn, sobaldt ich etwaß erfahre. Wir wißen leyder nur zu woll, daß er übel redt, wenn er gesoffen hatt, aber was man in Teütschlandt geschrieben, hatt er gar gewiß nicht gesagt, aber was er gesagt, deücht auch nicht viel, nehmblich alß man ihn an taffel gefragt, warumb er seine elste dochter lieber hette, alß alle seine andere kinder, soll er geantwortet haben, weillen dieße die eintzige von seiner frawen kindern were, so er gewiß wüste, daß sie seine dochter were; das war in der that ein gar impertinenter discurs. Ich habe ihn mehr alß taußendt mahl gebetten, doch mitt den desbauchirend leütten alß wie der chev. de Bouillon[1] undt chev. de Simiane[2] nicht umbzugehen; je mehr ich ihn aber gebetten, je mehr ist er mitt ihnen umbgangen. Nun sicht er, daß ich recht gehabt habe, aber es ist zu spät. Gott gebe, daß er sich einmahl vor eine warnung sein laße. Man kan nicht genung sagen: Gott behütte unßern König! Solte der in jetzigen zeitten unß fehlen, müste alles über undt drüber gehen … Weyllen der herr Haßenberg E. L. mein brieff in eygenen handen geben wirdt, alß will ich E. L. durch ihm sagen, wo mein sohns unglück herkompt. Mons. du Maine[3], mad. la duchesse[4] undt mons. le duc Dantin[5], so die ambitieuste creaturen sein, so leben, undt sehen, daß der König inclination vor mein sohn hatt, suchen nichts mehr in der welt, alß ihn zu schanden zu bringen. So lange Monseigneur gelebt, haben sie nur bey dießem undt dem duc de Bourgogne gearbeydt, welches bey dem ersten gelungen, bey dem zweyten aber, der gerechter war, alß sein herr vatter, ist es nicht ahngangen. Seyder ein jahr her undt seyder Monseigneurs todt haben sie ahngefangen, die alte Maintenon in ihre caballe gezogen, die hatt dem König vorgetragen, daß mein sohn den letzten dauphin undt die dauphine vergifft hatt. Sie haben gemeint, das würde den König gleich so sehr erschrecken, daß er ohngeexaminirt meinen sohn von hoff weg schicken würde; welches ich darauß weiß, daß, wie die docktoren kamen undt dem König verzehlten, wie sie alles genau examinirt hetten undt daß gar gewiß dieße zwey personen keinen gifft bekommen hetten, threhte sich der König zu der Maintenon undt sagte: he bien, madame, he bien, ne vous avois je pas dit que ce que vous m’avés dit de mon neveu estoit faux? Man hatt zu Paris von Dantins leütten gesehen, so diß außgebreydt haben [311] bey dem peupel; dadurch sehen E. L., daß wir gar recht gejudicirt haben, das alte weib mögte gern ihre aufferzucht auff den thron sehen, haßt unß alle; aber ich werde mich nichts davon mercken laßen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. April 1712 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 309–311
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0793.html
Änderungsstand:
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