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Brief vom 5. Oktober 1712

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


806.


[321]
Rambouillet den 5. October 1712.
… In dießem will ich E. L. von nichts alß von Rembouillet[1] sprechen. Vergangen Montag nach dem eßen umb 2 stieg der König in kutsch, nahm mich zu sich, hinten saß mad. d’Orleans allein, auff beyden estropontins[2] in den schlagen war mein sohn undt mad. de Brancas[3]. Wie wir bey St. Cire[4] kamen, befahlen I. M., langsam zu fahren, denn 250 freüllen von St. Cire stunden in dem weg in 4 gassen außgetheilt: die gelbe, blaue, grüne undt rohte. Mad. de Maintenon hilt in einer kutsch gegenüber undt presentirte sie dem König. Hernach fuhren wir geschwindt, kamen umb 8 hir ahn. Diß hauß scheindt klein von außen, aber inwendig ist es groß, undt nicht außzusprechen, wie viel undt schönne losementer drinen sein, recht gemäglich. Des Königs apartement bestehet in einem langen saal, wo I. M. eßen; oben ist des Königs contrefait leibeslang zwischen zweyen fenstern; gegenüber zwischen zweyen thüren ist feu Msgr.; auff beyden seytten des Königs seindt auff zwey thüren: die zur rechten ist eine capelle, die zur lincken des Königs antichambre; neben Msgr. seindt gemahlt der König in Spanien undt die Königin, undt auff obgemelte thüren war der duc undt duchesse de Bourgogne. Des Königs antichambre ist wie eine kleine gallerie; die tapizerey ist sehr reich, der Keyßer de la Chine undt die Keyßerin auff allerhandt manir: auffs waßer, in galeren, in promenaden zu landt, auff einem thron. Des Königs cammer ist gar groß undt schön, die tapizereyen seindt le palais de Thetis, Thetis lest ihren sohn Achille kommen undt nimphen bringen die waffen.
Vor die predigt sage ich gehorsamen danck; ich werde sie auff der rückreiß leßen, bißher habe ich noch kein augenblick zeit dazu gehabt. Ich glaube, daß das incognito fahren E. L. woll so woll divertirt hatt, alß die predigt. Solche verenderungen kan man hir nie haben, alles muß in der stille undt gravitet sein, welches gar keine lust macht. Waß der pfarher[5] vom hertzog von Wolffenbuttel gesagt, war zu grob, denn hohe heüpter soll [322] man doch allezeit respectiren undt den bauern kein böß exempel hirin geben undt sie zu auffruhr bringen; aber gegen den heßlichen tabac kan er nicht genung predigen. Zu groben leütten gehören grobe discoursen. Aber es ist zu admiriren, wie viel differente maniren unßer Herrgott findt, die leütte zu bekehren. Warumb solten E. L. Dero brieff nicht mitt der historie vom pfarher ahnfangen? denn sie ist ja possirlich …
Le chevalier de Bellerive hatt mir gar einen freündtlichen gruß vom König in Schweden gebracht; es ist just zwey mont, daß er von Bender kommen ist. Er sagt, die Englander, Hollander undt der Keyßer weren schuldig, daß dießer König noch zu Bender seye; er werde auch dießen winter dort bleiben, soll allezeit lustig sein undt hört gern histörger; er verstehet das frantzösch, will es aber nicht reden, undt wenn man etwaß nicht sagen will, das ein wenig zu grob heraußfehrt, so sagt er: ditte, ditte! il n’y a pas d’inquisition icy. Er hatt den Fabritius[6] bey dem König gesehen; er sagt, daß des Königs in Schweden eintziges divertissement seye, gleich nach dem eßen auff arabische pferdt zu sitzen undt 20 meil in vollem rend[7] zu thun undt durch so abscheüliche wege, daß einem die haar zu berg stehen. Nach seiner promenade sperrt er sich mitt seinen minister undt secretari ein undt arbeydt ahn seinen affairen. Er soll viel vivacitet haben …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. Oktober 1712 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 321–322
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0806.html
Änderungsstand:
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