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Brief vom 30. Mai 1676

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Anna Katharina v. Harling, geb. v. Uffeln


31.


[030]
St. Cloud den 30. may 1676.
… Es ist mir recht lieb geweßen, auß ewerem letzten schreiben zu ersehn, daß euch der docktor Fey[1] curirt hat, wünsche euch von hertzen, daß [031] ihr so baldt nicht mehr seiner bedörffen möget, sondern hinfort noch viel jahr mit gesundtheit erleben möget. Was mein großes unglück ahnbelangt, so hab ich woll gedacht, daß es euch meinethalben leidt thun würde; muß gestehen, daß ich es vor mein theil noch mit großer mühe verdauen kan, denn mir dießer fall gar zu hart ahnkommen ist. Ihr habt wol recht, mein lieb fraw von Harling, daß ihr sagt, daß je elter man wirdt, je mehr lernt man die welt kennen undt verspüret alle verdrießlichkeiten, so man unterworfen ist, denn auch jetzt, da ich noch nicht von dießem unglück zurecht kommen, ist Monsieur nach der armée, alwo er mir schon tausent ängsten eingejagt hat, indem er sich, wie man mir von allen orten herschreibt, so unerhört in den zwey belägerungen von Condé[2] undt hernach von Buchain[3] gewaget, welche letztere er selber ahngefangen undt gott sey danck in kurzer zeit eingenohmen undt glücklich volzogen hat. Undt nun hab ich wider eine andere sorg: man schreibt unß, daß viel leütte in der armée kranck werden, undt wie Monsieur nicht weniger alß die andern fatigirt undt oft über 24 stunden nicht vom pferde kompt undt nicht schläft, so ist mir angst, daß er endtlich auch kranck wirdt werden, denn wie man sagt, so soll die campagne noch lange weren undt der König denckt noch ahn keine zurückkunft. O das ist ja gar ein langwirich verdrießliches weßen, welches einem woll, wie ich schon einmahl geschrieben, das rauschen vertreibet undt die miltzkranckheit vor dem alter herbey bringet. Ich wünsche woll von grundt meiner seelen, daß wir balt einen gutten frieden haben mögten, denn ich bin des krieges so müde, alß wan ich ihn mit löffeln gefreßen hette, wie man alß pflegt zu sagen.
Man kan nicht mehr verwundert sein, alß ich es geweßen bin, alß ich pate[4] seine histori gehöret habe, undt hette mir sie matante nicht geschrieben, so hette ich sie nicht glauben können, sondern gemeinet, daß pate seine feinde ihm eine solche histori aufbunden. Ich hab eine histori ahn matante geschrieben von dießer neügebackenen Hertzogin[5], welche sie euch vielleicht verzehlen wirdt: sie hat einen von meines herren cammerdiener heürahten wollen, so sich Colin nent undt deßen sohn noch eben jetzt in der aufwartung ist. Das schickt sich schön mit einer Hertzogin von Zelle. Doch ist es mir von hertzen lieb, daß es unßern[6] printzen nichts schaden [032] kan; vielleicht wirdt ihre hoffardt nicht lang weren, denn ich von der hebamme mad. Robinet, so jetzt die meine ist, gehöret habe, daß es gar hart halten wirdt, wan sie niederkommen wirdt; were eben kein großer schadt, wenn sie der meister Hämmerle[7] fort hollen wolte. Ich wolte, daß ich euch meinen jetzigen uberbliebenen de Chartre[8] in einem brieff könte schicken, denn also were ich gewiß, daß er beym leben bleiben würde, aber so ist mir alß angst undt wolte gern ein jahr 3 oder 4 elter sein, damit daß ich dieß kint woll entwenet sehen mögte, denn das verstehen sie gar nicht hir im landt undt wollen sich auch nichts sagen laßen undt schicken also ein hauffen kinder in die andere welt, daß es nicht zu sagen ist, ich nicht weiß, ob sie es thun, weilen es so wunderlich in dießer welt zugeht, daß sie den armen kindern der mühe wollen entberen, der welt ellendt zu betrachten; aber ich glaube, daß es vielmehr auß thum- und nachläsigkeit geschicht, wie ich ein gar zu starckes exempel habe. Bey ewerer herschaft wie auch mein patgen bitte ich mein compliment zu verrichten. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. Mai 1676 von Elisabeth Charlotte an Katharina v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 30–32
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d09b0031.html
Änderungsstand:
Tintenfass