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Brief vom 27. Juli 1692

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Anna Katharina v. Harling, geb. v. Uffeln


54.


[049]
St. Clou[d] den 27. Julli 1692.
… Die welt ist seyder ein zeit her sehr in rumor undt unruhe undt wenig leütte seindt in ihrem standt zufrieden; aber ahns übele gewont man sich nicht undt man meint immer, es müste anderst sein. Ich glaube, daß es der Churfürstin von Saxsen[1] leichter ahnkommen wirdt, eine nebenmaistresse[2] im ahnfang zu haben undt ehe sie den Churfürsten[3] recht lieb hat, alß wenn solches kommen were in einer zeit, in welcher sie hette hoffen können, daß I. L. der Churfürst sie allein lieb gehabt hette undt [050] hernach verendert were; das were hart zu verdawen. So sehr man sich auch ahn alles gewont, so verliehrt man doch nicht die meinung, daß das gutte gut undt das böße böß seye, undt derowegen alß wünscht [man], von dem letzten enthoben zu sein undt das erste zu haben. Es ist aber nur gar zu wahr, daß waß einem auch begegnen mag, ein tag nach dem andern hingeht undt man das endt seines lebens endtlich findt, ehe man sichs ahm wenigsten versicht. Ich versichere mein hertzlieb jungfer Uffel, daß ich sie von hertzen gern auch noch einmahl ambrassiren mögte, weilen meine gesundtheit gott sey danck noch gar volkommen ist undt ich nicht glaube, daß ich noch in langen jahren die reiße in jene welt thun werde, also bitte ich mein lieb fraw von Harling, sich gar nicht zu eylen, eine thürhütterin im himmel zu werden undt viel eher noch einen gutten frieden zu erwarten, so unß wider zusammen bringen könte. Ihr wunsch kan woll volzogen werden, daß ich lange undt gesundt leben kan, alleine glücklich undt vergnügt ist nicht eine leichte sache hir. Wie es aber auch gehen mag …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. Juli 1692 von Elisabeth Charlotte an Katharina v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 49–50
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d09b0054.html
Änderungsstand:
Tintenfass