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Brief vom 23. September 1692

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Anna Katharina v. Harling, geb. v. Uffeln


56.


[051]
St. Cloud den 23. september 1692.
… Die gutte verwittibte Hertzogin von Hannover[1] jammert mich von hertzen, denn sie ist recht betrübt, daß sie nicht weg kan. Ich habe I. L. noch gestern gesehn; die threnen kommen ihr in die augen, wenn man ihr von Hanover spricht. Were ich in ihren platz, ich abandonirte lieber all meine erbschaft von Mons. le prince[2], alß nicht nach Hanover zu ziehen. Daß ich aber in dem standt, wo ich (hette schir leyder gesagt) bin, da ist wol schwerlich zu hoffen, daß ich nach Hanover könte. Aber wie es sich woll schicken mögte, wenn es frieden were, matante aufzuwarten undt mein hertzlieb fraw von Harling zu ambrassiren, were, wenn der König eine reiße in Flandern undt nach Namur thete undt matante eine reiße nach Brussel: da könten wir einander unterwegens ein rendevous geben. Undt wenn ich unlustig bin, umb mich zu trösten bawe ich solche schlößer in der luft undt mache mir dergleichen hoffnungen; das muntert mich denn gantz wider auf. Waß die Churfürstin von Saxsen[3] betrieft, so bin ich der meinung, daß wenn man sich in die zeit richten muß, kan man nicht sonderlich glücklich sein, denn das geschicht nicht von hertzen, [052] sondern durch zwang undt vernunfft, undt dadurch wirdt man sehr raisonabel, aber nie glücklich, denn glückseeligkeit undt zwang schicken sich nicht zusamen. Ich bin recht fro, daß die fürstin von Ostfrießlandt[4] bey ma tante ist, denn die wirdt I. L. ein wenig verenderung geben. Ich mögte wißen, ob man in Teütschland auch das ertbeben gefühlt hat, so wir vergangen donnerstag hir gehabt haben.[5] Es jammert mich, daß I. L. die Churfürstin von Brandenburg der freüden entberet muß sein, ma tante zu sehen; ein jeder hat sein creütz in dießer welt. So lang mich aber das meinige wirdt leben laßen, verbleibe ich …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 23. September 1692 von Elisabeth Charlotte an Katharina v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 51–52
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d09b0056.html
Änderungsstand:
Tintenfass