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Brief vom 16. Dezember 1693

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Anna Katharina v. Harling, geb. v. Uffeln


60.


[054]
Versailles den 16. december 1693.
… Ich bin recht fro, daß mein brief meiner lieb jungfer Uffel einigen trost geben; ich kan sonsten dießer kunst nicht woll undt habe mir alß eingebildt, daß ich eine leidige trösterin bin, die zu nichts helfen kan, denn wünschen ist zu nichts gutt, sonsten würde mein lieb fraw von Harling schon lengsten in volkommener gesundtheit sein; die meine ist gott sey danck all zimblich gutt, aber ich fange doch wol schon ahn zu fühlen, daß ich alt werde undt nicht mehr so viel kräffte habe, alß ich in meinen jungen jahren hatte. Ich werde auch woll morgen oder übermorgen großmutter sein, denn meines sohns gemahlin[1] kompt jetzt in kindtsnöhten. Weilen ich morgen erst ahn ma tante schreiben werde, wirdt, im fall sie heütte niederkompt, mein lieb fraw von Harling doch erfahren können, ob es ein hei oder ein sei ist, so sie wirdt ahn tag gebracht haben; mir ist es all eins, waß es auch sein mag, denn ich kan mich ohnmöglich drin interessiren[2], unter unß geredt. Mein hertzlieb fraw von Harling hat groß recht, zu glauben, daß die verwittibte Hertzogin[3] sampt dero princessinen[4] vergnügt zu Hanover sein; sie sagen, daß sie meinen, sie weren im paradeys. Wenn wünschen waß gelten könte, würde dieße Hertzogin gewiß nicht ohne mich zu Hanover sein undt würde ich oncle undt tanten wol von hertzen aufwarten, aber leyder so glücklich werde ich wol nimmer werden. Wer so erschrecklich ist tribulirt worden wie ich, ist ahn nichts guts gewont undt findt sich glücklich, wenn man nur nichts bößes hat. Jean kam woll ins wams, er drok[5] aber 14 jahr ahn eine mau[6], undt ich ziehe schon 22 jahr ahn die mau, bin doch noch nicht ins wams, glaube also, daß mich der todt eher alß ein wams ahnziehen wirdt, ehe ich in Jean seines komme. Waß meinen Harling ahnlangt, so ist zu hoffen, zu sehen, wie der krieg nun ist, [055] daß, wenn ihm gott der allmächtige leben undt gesundtheit lest, er baldt wirdt befördert werden. In dießem kleinen hiebey liegenden zettelgen wirdt Mons. Harling meine antwort finden; [ich] glaube, daß er lachen wirdt, daß ich mich noch des alten märgens von herr Ollerian erinere[7]. Alles waß vor dießem geschehen, erinere ich mich beßer alß waß teglich geschicht. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. Dezember 1693 von Elisabeth Charlotte an Katharina v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 54–55
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d09b0060.html
Änderungsstand:
Tintenfass