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Brief vom 1. Januar 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Anna Katharina v. Harling, geb. v. Uffeln


81.


[068]
Versailles den 1. Januari 1699.
… Ehe ich auf ewren lieben brief antworte, will ich erst nach löblichem alten teütschen brauch ein glückseeliges neües jahr wünschen: gutte gesundtheit undt waß mein lieb fraw von Harling selbsten wünschen undt begehren mag. Die gutte Hertzogin von Hanover[1] kan mir nicht genung ihre freüde bezeugen über ihrer fraw tochter[2] großen heüraht.[3] Alle, so es haben verhindern wollen, müßen nun sehr beschambt sein. Ich gönne es der gutten princes woll von grundt meiner seelen undt weiß mirs [069] rechten danck, ihre fraw mutter so sehr zum hir weg ziehen getrieben zu haben; hir war wol kein rechtmäßiger heüraht vor sie. Ich will hoffen, daß sie so glücklich alß ihre fraw schwester[4] werden wirdt; allein so ist noch nicht hirvon zu judiciren, indem gar offt die grösten stände eben nicht die glückseeligsten seindt. Ich förchte, daß Hanover ma tante nicht so gesundt sein wirdt alß Herrnhaußen, denn da können I. L. nicht spatziren wie zu Hernhaußen undt das spatziren vertreibt mehr den unmuht alß das stillsitzen, denn ich förchte, Hanover wirdt zu viel ahn die vergangene zeiten undt ahn oncle erinern. Ma tante schreibt mir, daß patte[5] noch so frisch undt gesundt; das frewet mich von hertzen. Daß freüllen Platen den Kilmanseck nimbt[6], haben mir I. L. auch geschrieben. Man muß nicht von der lieb disputiren, denn wie das sprichwort sagt, so ist sie wie der thau: felt so baldt auf einen kuhfladen (met verlöft) alß auf ein rosenbladt.[7] Allein Kielmanseck kompt mir gar nicht ahngenehm vor. Es pflegt jemandes hir zu sagen, wenn man sagt, die heüraht seindt im himmel geschloßen: ja, gott mag sie im himmel resolviren, aber der teüffel macht sie auf erden. Ich förchte, diß freüllen wirdt auch nach dem heüraht dießer letzten meinung werden. Ich gestehe, daß ich auch gantz noch nach der alten teütschen welt bin undt die itzigen auferzuchten wenig begreifen kan. Ich habe das hertz nicht, dießem freüllen zu dem schönen heüraht glück zu wünschen. Ich muß noch vor dem nachteßen 3 große brief schreiben undt es ist schon über 8 uhr, muß derowegen schließen. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. Januar 1699 von Elisabeth Charlotte an Katharina v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 68–69
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d09b0081.html
Änderungsstand:
Tintenfass