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Brief vom 24. März 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


24.


[090]
Versailles den 24. mertz 1715.
… Viel gelehrte haben den herrn Leibenitz mit verlangen hir erwartt, werden betrübt sein, wenn sie erfahren werden, daß er nicht kommen wirdt. … Meine gesundtheit erhelt sich gottlob gar woll; vorgestern jagten wir den hirsch; wir hatten das schönste wetter von der welt; im holtz fengt es schon [091] ahn, grün zu werden, die wicken blühen undt die vögel fangen ahn zu singen. Ich hoffte, der frühling were schon ernstlich dar, aber seyder dem hat es nichts gethan alß regnen, [ich] fürchte, daß das alles verderben wirdt, denn in der Pfaltz sagt man:
Truckener mertz, naßer april, küller may
füllet keller undt kasten undt macht viel heü
;[1]
also ist zu fürchten, daß das lange regenwetter nicht gutt ist. So lang [ich] in die lufft kan fahren undt bewegung habe, wie wir in den caleschen auf der jagt haben, so ist meine gesundtheit allezeit in einem gutten standt. Ich habe gottlob keine andere incommoditet, alß schmertzen in den knien undt starcke krempf in den füßen; im übrigen geht alles woll, aber vor einen rauschenplattenknecht, wie ich bin, kompt das ewige sitzen hart ahn. Wie man hir von Englandt spricht, so soll alles gar verwirt dort sein. Eine adelliche dame hat vor kurtzer zeit aus dem landt eine schöne that gethan: ihr mann hatte zu thun bey einem andern edelmann, so eine tagreiße von ihm wont. Wie er auf dem weg war, begegnet ihm ein freündt, der kam, ihn zu besuchen; der war der frawen unbekandt, wolte also wider umkehren; Chasteaugay aber sagte zu seinem freündt, er wolle den andern abendt wider zu hauß sein, also könte er nur seiner bei seiner fraw erwarten; aber damit er bey seiner frawen möge woll entpfangen werden, wolle er ihr ein wort schreiben, nimbt einen crayon undt schreibt ahn seine fraw und sagt, sie solle seinen gutten freündt woll entpfangen, aufs best tractiren undt woll logiren. Chasteaugay reist seinen weg fort undt der freündt nimbt den weg zum schloß; muste durch ein höltzgen, so nicht weit vom schloß war; 3 mörder finden sich da, schießen dießen armen menschen todt und leeren ihm die säcke undt finden den zettel ahn madame de Chasteaugay bey ihm, gehen damit ins schloß, überlieffern den zettel. Die fraw meint, es weren ihres manns freünde, tractirt sie woll, logirt sie auch woll. Nachts, wie alles eingeschlafen ist, stehen die 3 schelmen auf, ermorden 13 bedinten im hauß, alles außer mad. de Chasteaugay, gehen in ihr kammer, wecken sie auf, hatten aber vorher schon etliche balotten von den meublen gemacht, sagten zu der frawen, sie solte aufstehen, ihnen alles geben, gelt undt silbergeschir, waß sie im hauß hette, wenn sie leben bleiben wolte. Sie sagt: ich bin nicht reich, das wenige, so ich habe, ist in einem gewölb; wenn ihr mit mir gehen wolt, will ich das gewölb aufmachen. Gar gern, sagten die mörder. Die fraw nimbt ein licht undt führt sie ins gewölb, [092] so eine schwere eyßern thür hatte; die fraw weist ihnen etlich säck mit gelt undt silbergeschir; die mörder fahlen gleich drauff zu; die fraw schleicht mit dem licht nauß undt schlegt die eyßerne thür zu, leüft überall herumb, ihre leütte zu rufen, findt sich aber gantz allein im hauß, denn alles war umbgebracht. Das negste dorff war weit, rufen kont nicht helfen, da nimbt sie alles stroh, so sie zusamen tragen konte, undt zündt es im hoff ahn. Die dörfer drumb herumb meinten, das schloß brenne, kamen zu hülff. Da verzehlte die dame ihre begebenheit, undt wie sie die 3 schelmen eingespert hette. Die bauern holten ihre waffen, gingen ins gewölb undt fingen die drey mörder; die verzehlten selber, wie die sach zugangen. Die dame ist zu admiriren, sich nicht troublirt zu haben. … Diß ist eine lange epistel, worin viel fehler, denn ich habe der zeit nicht, zu überleßen, nur zu versichern, daß ich allezeit bin undt bleibe …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. März 1715 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 90–92
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0024.html
Änderungsstand:
Tintenfass