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Brief vom 23. Januar 1716

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


35.


[099]
Paris den 23. januari 1716.
… Mein humor ist nicht trawerig noch chagrin von natur, also wenn ich nichts neües hab, so mich gritlich macht, lache ich gern undt bin wie mich Mons. Harling allezeit gekendt hat, aber wenn mir waß neües verdrießliches zufelt, dan laß ich das maul hencken undt kan nichts sagen; aber hir im landt geschicht leyder diß letzte undt daß man das maul hencken lest. Zum exempel heütte bin ich recht grittelich undt habe es recht ursach. Daß ich die teütsche sprichwörter noch weiß, ist gar kein wunder, denn ich habe ja mein teütsch gottlob nicht vergeßen undt werde mein bestes thun, es mein leben nicht zu vergeßen. Also weil ich das teütsch behalte, vergeße ich auch die art von reden nicht, bin recht fro, daß es mons. Harling ein wenig hat lachen machen, denn das [ist] gutt undt gesundt. Ich halte Hertzog Max[1] vor gar strudtlich undt der wenig reflectionen macht. Man hat mir etwaß von Hertzog Max verzehlt, so mir alle freundtschaft vor I. L. benohmen: man hat mir versichert, daß er seine fraw mutter, [100] die ihn so hertzlich geliebet, ahn den Keyßer verklacht, weilen sie ihm nicht 8000 Th. geschickt hatte, so er begehrt. Das ist abscheülich; dießer herr kan kein glück in dießer noch jener weldt haben, weilen er dieße abscheüliche that begangen, die ich ihm nicht verzeyen kan. So kan ich mein leben nichts mehr von ihm halten. Aber ich mercke woll, wo diß stückelgen ist gebrauet worden: das muß in des paters Wolff[2] hirnkasten geschmidt worden sein, wie jetzt waß er gegen printz Ernst August ahnfengt. Waß mich noch ahn dem verfluchten munchen verdriest, ist, daß er nicht leyden kan, daß der Hertzog Max einen eintzigen edelman bey sich hat, nur lautter lumpenzeüch, wie dießer wüste Wolff selber ist.[3] Es ist ohnnöhtig, ein exempel zu cittiren so nicht ist, undt contrarie weilen Hertzog Ernst August sich ja findt, so nach allem accord ist, waß ist dan weiter zu suchen? Weilen alle gerechtigkeit vor Hertzog Ernst August ist, so wünsche undt hoffe ich, daß I. L. gewinnen werden.[4]
Es ist schon 2 wochen, daß ich keine brieff auß Engellandt bekommen; das setzt mich in sorgen, denn ich trawe den unbestendigen Englandern kein haar seyder ihr junger König[5] dort ahnkommen ist (ich will sagen: in Schottlandt) undt so woll ist entpfangen worden. Der mylord Mar hat sich nur ahngestelt, alß wenn er umb gnade bitt, umb zeit zu gewinnen, daß der pretendent ahnkommen möge, wie geschehen. Man ruft mich zum eßen, muß also schließen. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 23. Januar 1716 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 99–100
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0035.html
Änderungsstand:
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