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Brief vom 5. April 1716

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


37.


[101]
Paris den 5. aprill [1716].
… Es ist wahr, daß mir I. L. die printzes von Walles die ehre thut, gar fleißig zu schreiben, undt I. L. kürtzte schreiben seindt von 5 bogen auf allen seytten geschrieben; waß ich gestern entpfangen, war von 7 bogen, das macht 28 seytten; der vorige war von 35, undt noch vorher war einer von 43 bogen[1]; das benimbt mir alle zeit, wie leicht zu gedencken ist. … Der frühling will durch das wetter noch nicht erscheinen; es ist noch kein grün blatt auf erden undt frirt schir alle nacht, heütte ist ebenso ein kalter windt alß wenns weynachten were. Alle pottegrämische[2] leütte hir befinden sich gar übel bey dem wetter; das macht mich forchten, daß Mons. Harling es auch entpfinden mag.
Den weg von Hanover nach Franckfort undt nach Heydelberg kene ich woll, denn ich ihn zwey mahl gethan; ob ich zwar gar jung war, erinere ich michs noch gar woll: wir waren woll verwundert, nach der bergstraße ein solch heßlich landt zu finden alß das Heßenlandt; die wege seindt auch schlimm von Kassel nach Minden undt von dar biß nach Hanover. Es ist gottlob kein wordt wahr das geschrey, so zu Hanover; ich habe unßern König[3] vergangen Montag undt gestern gesehen; Montag spilte man comedie undt I. M. waren von einem endt zum andern darbey in frischer gesundtheit, undt gestern auch, er lief so geschwindt ahn tafel, daß ich ihm nicht folgen konte, denn ich habe meine rauschenplattenknechtische schenckel nicht mehr. Ich versichere Mons. Harling, daß ich unßerm jungen König [102] den todt gar nicht wünsche; vor meinen sohn selber were es beßer, daß er noch lange jahre leben möge. Mein sohn ist gottlob noch jung, umb lang warten zu können, undt unterdeßen, wo unß gott noch einen gutten frieden [schenkt], kan sich das Königreich wider [erholen]. Der junge König ist der rechtmäßige erb; es ist billig, daß er lang König bleibt; undt solte ich leben können, biß dießer junge König heüraht undt erben bekompt, werde ich nicht drüber murmeln: waß gerecht ist, da finde ich mein leben nichts gegen zu sagen, solte es gegen mir selber sein. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. April 1716 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 101–102
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0037.html
Änderungsstand:
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