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St. Cloud den 26. november 1716.
… Ich gestehe, daß mich der schleunige todt von dem armen herrn
von Leibnitz
[1] surprenirt hat. Es ist woll schadt, daß ein solcher gelehrter
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mann es nicht hat weiter bringen [können]; er war alt undt über 80
[2];
muß doch einen sanfften todt gehabt haben, weilen es so geschwindt
hergangen. Wenn die leütte gelebt haben wie dießer mann undt wie Mons.
Harling mir sein leben beschreibt, kan ich nicht glauben, daß er von nohten
gehabt hat, prister bey sich zu haben, denn sie konten ihm nichts lehren, er
wuste mehr alß sie alle.
[3] Sanct Paullus sagt, daß die gutten wercke den
wahren glauben zeichen
[4], weilen sie die früchte davon sein; gewohnheit ist
keine gottsforcht, man muß wißen, waß man in der gottsforcht thut; nur
zum h. abendtmahl auß gewohnheit gehen, kan gott nicht ahngenehm sein,
es muß auf wahren glauben gericht sein undt ein solchen glauben wir
dadurch erweißen, daß wir gott danckbar sein, ihn lieben undt auf sein
verdienst vertrawen, auch einen ernstlichen vorsatz [haben], unßern negsten zu
lieben undt ihm nach gottes gebot behülflich [zu] sein. Ohne diese puncten
glaube ich nicht, daß einige communion dinlich sein kan. Ich zweyffle gar
nicht ahn des herrn Leibnitz seeligkeit undt finde, daß er ein glück gehabt,
nicht lang zu leyden. Gott verley unß allen ein seeliges endt; biß es ahn
mir kompt, daß ich auch fortgehe, werde [ich] sein undt bleiben …