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Brief vom 26. November 1716

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


39.


[102]
St. Cloud den 26. november 1716.
… Ich gestehe, daß mich der schleunige todt von dem armen herrn von Leibnitz[1] surprenirt hat. Es ist woll schadt, daß ein solcher gelehrter [103] mann es nicht hat weiter bringen [können]; er war alt undt über 80[2]; muß doch einen sanfften todt gehabt haben, weilen es so geschwindt hergangen. Wenn die leütte gelebt haben wie dießer mann undt wie Mons. Harling mir sein leben beschreibt, kan ich nicht glauben, daß er von nohten gehabt hat, prister bey sich zu haben, denn sie konten ihm nichts lehren, er wuste mehr alß sie alle.[3] Sanct Paullus sagt, daß die gutten wercke den wahren glauben zeichen[4], weilen sie die früchte davon sein; gewohnheit ist keine gottsforcht, man muß wißen, waß man in der gottsforcht thut; nur zum h. abendtmahl auß gewohnheit gehen, kan gott nicht ahngenehm sein, es muß auf wahren glauben gericht sein undt ein solchen glauben wir dadurch erweißen, daß wir gott danckbar sein, ihn lieben undt auf sein verdienst vertrawen, auch einen ernstlichen vorsatz [haben], unßern negsten zu lieben undt ihm nach gottes gebot behülflich [zu] sein. Ohne diese puncten glaube ich nicht, daß einige communion dinlich sein kan. Ich zweyffle gar nicht ahn des herrn Leibnitz seeligkeit undt finde, daß er ein glück gehabt, nicht lang zu leyden. Gott verley unß allen ein seeliges endt; biß es ahn mir kompt, daß ich auch fortgehe, werde [ich] sein undt bleiben …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. November 1716 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 102–103
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0039.html
Änderungsstand:
Tintenfass