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Brief vom 20. Oktober 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


62.


[120]
St. Cloud den 20. october 1718.
… Der spanische ambassadeur, der printz de Chelamare[1] hat gar viel verstandt undt ist ein schlauer kautz. Die Duchesse du Maine vergist absolute, daß ihr herr nur ein bastard ist undt der seine mutter verhehlen muß, denn solte ihm überwießen werden, daß seine mutter, die [121] Montespan[2], eine geheürahte fraw geweßen, so könte er nicht vor des Königs sohn passiren, sondern müste nach allen rechten des landts vor Mons. de Montespans kindt passiren. Sie persuadirt sich, daß der Duc du Maine des Königs rechter sohn ist undt daß man ihm das gröste unrecht von der welt thut, ihm meinen sohn vorzuziehen. Aber das erinert mich ahn ein alt sprichwort, so mad. de Fiene[3] alß zu sagen pflegt, wenn leütte sich andern vergleichen wolten, denen sie nicht zu vergleichen waren: nous autres pommes qui n’ayons (?), dissoit l’estron aux pommes. Das kompt ein wenig schmutzig herauß, aber ich schreibe es, wie ich es von mad. de Fiene gelernt habe, undt deücht mir, daß es woll zu der vergleichung von meinem sohn undt Duc du Maine kompt. Alles übel habe ich woll zu fürchten von dießen bößen leütten undt ihrem ahnhang; allein ich glaube, man kan sich zufrieden geben, wenn man eine gerechte sache hat undt auf gott den allmachtigen sein vertrawen setzt. …
Die Spanier werden nun hoffartiger alß nie werden, nun sie den 25. september die cittadel undt [die] gantze statt Messina erobert. Der Alberoni ist ein boßer schelm, der nichts mehr wünscht, alß überall unruhe ahnzurichten; es were beßer, daß er wie sein vatter ein gartenersjung geblieben were undt kreütter verkaufte, alß waß er nun thut: die gantze christenheit gegen einander aufzuhetzen; das kan man ein unkraut heißen. Der chevalier de St. George hat sich heürahten wollen; der papst hat ihm zu printz Jacobs Sobiesqui[4] zweyten dochter[5] gerahten undt ihm versprochen, 300 tausend thaller des jahrs zu seinem unterhalt zu verschaffen. Der Keyßer aber hat den heüraht nicht gutt gefunden undt ahn seinen oncle undt tante geschrieben, den heüraht nicht zu volziehen; der brief aber ist zu spät kommen, der Duc d’Ormond hat die printzes schon durch procuration in Schleßien geheüraht. Der Keyßer aber, alß er dieß erfahren, hat gebotten, sie nicht weiter alß nach Inspruck kommen zu laßen.[6] Man [122] weiß noch nicht, waß auß dießem allen werden wird, die zeit wirdts lehren. Ma tante, unßere liebe seel. Churfürstin, hat es dem Czaar selber gesagt, wie I. L. mir damahlen geschrieben: daß sie fürchte, man würde ihn gar zu gescheüdt machen undt daß es gantz Teütschlandt übel bekommen würde; worüber der Czaar von hertzen gelacht haben soll; aber es war eine prophezeyung, so nun allzu wahr wirdt. … Ich bin recht leünisch, habe einen alten gutten freündt verlohren, er war 80 jahr alt, aber noch so starck, daß er 10 stundt den hirsch jagte; war ein ehrlicher mann: der maréchal de Clerembeau[7], des bischoffs von Troye bruder, hieß marquis de Chavigni; es jammert mich recht. Mons. Harling hat ihn vielleicht gekendt, er hat lang in Teütschlandt herumbgeschwärmbt. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. Oktober 1718 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 120–122
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0062.html
Änderungsstand:
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