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Brief vom 17. November 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


64.


[123]
St. Cloud den 17. november 1718.
… Es ist den armen Teütschen abermahl sehr übel durch ihre eygene schult bey Messine gangen: sie haben die Spanier attaquirt undt braff geschlagen; weilen sie aber sich in der Spanier läger befunden, ist ihnen die lust zu plündern ahngekommen, haben dadurch den Spaniern die zeit geben, sich wider zu railliren, welches sie auch gethan, seindt wider kommen, in ihr läger gefahlen undt haben alle officiren gefangen genohmen undt die soldatten niedergemacht. Das war, wie mich deücht, eine große thorheit von den Keyßerlichen, den feindt nicht weiter zu folgen; darnach hetten sie ja zeit genung gehabt, das läger zu plundern. Aber die arme leütte haben ihre faute thewer bezahlt. Dieß macht Alberoni’s spiel nicht schlim. Wie die ambition allein macht, daß man sich zum Cardinal macht, undt es, seyder cardinäls sein, der brauch noch nie geweßen, dabey ahn gottesfurcht zu gedencken, so wirdt es Alberoni auch woll nicht thun, so ein größer scelerat alß ein ander ist. Wodurch er sein glück gemacht, das bestehet in keinen meritten, die historie ist ein wenig schmutzig, aber weilen sie doch poßirlich [ist] undt ich hoffe, daß sie Mons. Harling wirdt lachen machen, will ich es verzehlen. Wie Mons. de Vandosme[1] die armée in Itallien commandirte, schickte der Duc de Parme den bischoff von Parme zu Mons. de Vandosme, umb mit ihm zu tractiren. Mons de Vandosme hatte viel gutte sachen, es war aber wie ahn fast allen leütten mit fehler vermischt, alßo hatte der Duc de Vandosme auch zwey erschreckliche fehler, nehmblich die desbauches mit mannsleütten undt seine abscheuliche undt unverschambte unsauberkeit, daß er all sein leben in der armée keine audientz gab, alß (met verlöff) auf dem kackstuhl. Also machte er nicht mehr façon mit dießem bischoff, alß alle große officir, ließ ihn zu sich kommen. Der bischoff kam mit einem großen train, viel geistlichen, die kamen mit ceremonien in Mons. de Vandosmes kammer undt fanden ihn auf dem schönen thron. Man gab dem bischoff eine chaise, umb mit Vandosme zu sprechen. Der bischoff sahe, daß Mons. de Vandosme viel finen[2] im gesicht hatte, sagte zu ihm: Il me semble, Monsieur, que vous fort echauffé, il faut que l’air de ce pais cy ne vous soit pas bon; Mons. de Vandosme antwortete: C’est bien pis à mon corps qu’à mon visage, voyez, stehet auf undt weist dem gutten bischoff den bloßen posterianus. Der bischoff stehet auf undt sagt: Je vois bien, Monsieur, que je ne suis [124] pas propre à traiter avec vous, vos manieres et les miennes ne s’accordent pas ensemble, mais je vous envoirés[3] un de mes ausmoniers, qui sera bien vostre fait; schickte ihm drauf Alberoni. Der war einmahl in Vandosmes cammer; wie Mons. de Vandosme den hintern wischen wolte, leüfft Alberoni herzu, wirst sich auf die knie undt ruft: oh quel cu[4] d’ange! Das hat Mons. le duc de Vandosme so charmirt, daß er ihn allezeit bey sich behalten undt [Alberoni] sein favorit worden ist. Dießer hat seinen herrn, den Duc de Parme ahn Mons. de Vandosme verrahten; hernach, wie Vandosme in Spanien, hat er ihn der printzes des Ursin[5] aufgeopfert undt die printzes des Ursin ahn die Königin in Spanien[6] verrahten. So hat dießer ehrliche mann seine fortune gemacht, undt waß ich hier verzehlt, seindt alle die meritten undt der grundt von seiner gantzen fortune.
Man sagt, daß des chevalier de St. George braudt sich in nonnenkleyder von Inspruck salvirt hat, wo der Keyßer sie arestirt hatte, undt zu ihrem breütigam ist.[7] Solte Mons. Harling vor mir sterben, würde ich ihn von hertzen beweinen, wünsche aber, daß es noch in langen jahren nicht geschehen möge. Es hat wenig gefehlt, daß ich nicht vergangenen sontag drauf gangen were; were mir, waß mir begegnet, nachts oder abendts geschehen, so were ich dahin. Man hatte mir morgendts umb 9 zur ader gelaßen, aber nur auß précaution; abendts 4 war ich in der capel undt betete; gegen 5 fung es ahn, ein wenig dunckel zu werden, ich wolte derowegen mein betbuch dem tag zudrehen, lehnte mich auf den ellenbogen von dem arm, wo man mir zur ader gelaßen hatte; da fühle ich waß heyßes ahm arm; wie ich zusehe, ist es bludt, welches mit solcher violentz herauß drang, daß nur die zeit, so ich zu schellen hatte undt meine leütte kamen, ich schon so viel bludt verlohren, daß man es vor anderthalb paletten voll rechnen konte. Were es mir nachts im schlaff geschehen, würde ich mich gar gewiß zu todt gebludt haben.
Waß unßere liebe seel. Churfürstin dem Czaar gesagt[8], war mehr eine douceur alß offençant, auch hat er I. L. recht lieb gehabt; das macht auch, daß ich [mich] vor den Czaar interessire, aber ich wolte nicht, daß er unruhe in Teütschlandt ahnrichten solte. … [125]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. November 1718 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 123–125
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0064.html
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