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Brief vom 30. März 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


75.


[134]
Paris den 30. mertz 1719.
… Es were mir leydt, wenns wider krieg in Teütschlandt werden solte, ich bin wie Jodillet[1] prince: la paix et dieu vous garde… Mons. Harling hat sich nicht zu schämen, den combat im Mecklenburgischen anderst bericht zu haben; waß man nicht selber sicht, kan man ja nur vorbringen, wie man es hört. Moscowitter seindt wilde gesellen, bey welchen nicht viel trew undt glauben zu erwarten ist. Ich weiß nicht, woran es liegt, daß seyder etlichen jahren sich die teütschen fürsten so gar allen untugendten ergeben undt in allem ungezogen sein; das erinert mich [an das] waß ich meinen seel. herrn vatter habe sagen hören: daß das geschlegt von den gutten hoffmeistern verloschen seye. Aber gutte hoffmeister helfen auch nichts mehr: der printz von Württenberg[2], so hir geweßen, so lang der herr von Forstener bey ihm geweßen, war er artlich undt woll gezogen undt seine sentimenten schienen tugendtsam[3], nun sagt man, daß er ebenso doll alß sein herr vatter geworden ist undt ahn nichts alß desbauchen gedenckt… Mons. Rigeaud[4], der jetzt der beste mahler vor contrefaitten ist, wirdt morgen Harlings contrefait ahnfangen; er hat nicht eher mahlen wollen, biß die kurtze tag vorbey sein würden, denn er mahlt sehr langsam, muß also zeit haben. Es ist aber keiner, so so gleich mahlt, alß er; er hat den seel. König undt mich gar woll getroffen. Wir haben hir oft waß neües, aber selten waß guts. Gestern hat man den jungen duc de Richelieu[5] in die bastille geführt, weilen man brieff interceptirt, daß er ein commerce mit Alberoni hat. Dießer junge mensch ist die coclusche(?) von gantz Paris, alle weiber von allerhandt standt hoch undt nieder seindt ihm nachgeloffen wie (met verlöff) läuffige hündinnen; es war schimpflich zu sehen. Er hat einen poßirlichen einfahl: er hat alle seine metressen [135] in mönchskutten von allerhandt orden abmahlen laßen, soll eine große menge von den conterfaitten haben. Man findt ihn so gar artlich, aber ich habe das kleine krotgen[6] nie artlich finden können, ist allen lastern ergeben, er hat gott verlaßen, gott verläßt ihn auch wider. Es ist ein groß glück, daß dieße verrahterey auch ist ahn tag kommen. Dießes kleine teüffelgen, das ich allezeit den Hintzelman[7] geheißen, weilen er einem poltergeist gar gleich sicht, wirdt jetzt zum 3. mahl in die bastille geführt; wie er das zweyte mahl herauß kam, sagte er: Haltet mir mein apartement sauber, ich muß noch einmahl hinein, aber das 3. mahl werde ich nicht mit dem leben davon kommen, welches woll geschehen mögte…
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. März 1719 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 134–135
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0075.html
Änderungsstand:
Tintenfass