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Brief vom 6. Mai 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


77.


[136]
St. Cloud den 6. may 1719.
… Ich fange heütte ahn zu andtworten, denn morgen mögt ich vielleicht schwach sein, denn in einer stundt wirdt man mir auß ordre meines dockters, des herrn Teray, zur précaution zur ader laßen; es ist ein partie de plaisir, so ich mit meinen pferdten halte, so man heütte auch zur ader lest. Wie ich auß aller des Hertzogs von Mecklenburg conduitte sehe, muß er viel von seinem großoncle[1] haben, so ich hir gesehen. Umb Mons. von Harling deßen genie woll begreiffen zu machen, muß ich ihm ein trait von seinem hohen geist verzehlen: im ahnfang wie ich herkam, war unßer König 33 oder 34 jahr alt; er fordert beym König eine audientz; der König meinte, er hette ihm waß particulier undt wichtiges zu sagen, ließ ihn zu St. Germain in sein cabinet kommen. Er stundt vor dem König, sahe ihn lang ahn ohne reden, endtlich sagte er: Sire, je vous trouve cru. Der König lachte, sagte: Je suis hors d’age de croistre. Da sagte der Hertzog: Vous estes bien fait, Sire, et avés donne mine, on dit que je vous ressemble et quoyque vous ayés la mine haute, on assure que je l’ay encore meilleure que vous. Der König sagte: N’avés vous que cela à me dire? Non sagte der Hertzog, machte eine reverentz undt ging fort. Der Konig [137] verzehlte es mir gleich abendts, aber nicht ohne hertzlich zu lachen. Ich glaube, daß man nun zu Hannover wirdt singen können wie in dem geistlichen liedt von Allein gott in der höh sey ehr: all fehdt hat nun ein ende. Ich glaube, daß der König in Englandt seine reiße nach Hannover baldt fortsetzen wirdt, denn die spanische flotte ist übel vom winde tractirt worden, ein schiff ist gar versunken, ein anders gantz desmatirt nach Cadix kommen, die übrigen seindt nach Vigo undt la Coronne…
P. S. Sontag den 7. may umb 7 morgendts.
Ich glaube nicht, daß sein neveu ihm heütte wirdt schreiben können, denn die große mode zu Cloud ist aderlaßen; gestern wars ahn fraw von Ratsamshaußen[2] undt ahn mir, heütte ist es ahn Harling undt Wendt; also viel teütsch blut vergoßen worden in St. Cloud. Man hat mir das schönste bludt von der weldt gelaßen, wie hünerbludt.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. Mai 1719 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 136–137
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0077.html
Änderungsstand:
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