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Brief vom 27. August 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


85.


[143]
St. Cloud den 27. augusti 1719.
… Ich habe mich nun gottlob wieder von meiner gar zu großen trawerigkeit erholt, undt von den 14tagigen mühen undt sorgen, so ich bey meiner sterbenden enckelin[1] außgestanden; will also nichts mehr davon sagen undt sie in ihrer ewigen ruhe laßen. Waß mich sehr tröstet, ist, daß mein sohn gott sey danck bey gutter gesundtheit ist. Die Mouchy ist ein leichtfertig stück; ich bin gewiß, daß sie mit der zeit ihren verdinten lohn bekommen wirdt, es seye denn, daß es ihr nach dem sprichwordt geht: Je größer h …, je größer glück, denn das war sie abscheülich, undt hirin ist auch ein teütsch sprichwort wahr worden: Von h … kompt nichts guts. Mein sohn ist gar zu gutt, er kan sich nie zu straffen resolviren, die leütte jammern ihn gleich; ich bin aber nicht so barmhertzig undt finde, daß die wahre gerechtigkeit eines regenten in straf des übeln undt recompens des gutten besteht. … Es were mir leydt, wenn der Czaar obstaclen ahn schwedischen frieden machen sollte, den man doch vor gantz geschloßen in [144] Englandt helt. … Vergangenen freytag, weilen es St. Louis war, gab man dem jungen König ein feste aux thuilleries, wie es alle jahr der brauch ist; es war ein solcher zulauf, umb die musiq zu hören undt das feüerwerck zu sehen, daß 7 menschen drüber erstickt sein, unter andern ein abbé undt eine schwangere fraw. Man sagt, daß 7 oder 8 filous schuldig dran sein, so die preß gemacht, umb die säck visitiren zu können. … Das unüberwindlich felßenschloß zu St. Sebastien ist auch übergangen[2], weilen 2 bumben gar glücklich vor unß gefallen sein in den magasin vom pulver, die andere in die cistern, haben sich also ergeben, denn sie hatten weder pulver noch waßer mehr. Die gantze provintz hat sich auch ahn Franckreich ergeben. Der chevalier de Chivrie[3] hat auch das glück gehabt, 3 spanische schiff zu verbrenen, darunter eins von 70 canonen; er hat auch alle preparationen gefunden, so man gemacht, umb neüe schiff zu bauen, das hat er alles verbrendt. Die Spanier seindt also dieß jahr in allen stücken unglücklich undt Alberoni wirdt doch endtlich woll ahn den frieden gedencken müßen. Mein sohn hat auch das glück, einen Engländer gefunden zu haben, so mons. Law[4] heist, die Frantzosen aber (umb nach ihrer gewohnheit alle nahmen zu endern) heißen ihn mons. Las, der ist so geschickt, in den affairen von financen, daß mein sohn hoffen kan, alle des Königs schulden zu zahlen dießes jahr, sie waren in keiner kleinen summa, denn es kam auf zwey mahl hundert taußent millionen. Ich sag alß zu meinem sohn, daß ich glaube, daß er undt sein mons. Las la pierre philosophale gefunden haben; die helfte von des Königs schulden ist schon bezahlt, also wenn Alberoni den frieden nicht macht, hat der junge König gelt genung, umb den krieg führen zu können. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. August 1719 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 143–144
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0085.html
Änderungsstand:
Tintenfass