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Brief vom 31. August 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


86.


[144]
St. Cloud den 31. augusti 1719.
… Mich deücht, unßer commers geht nun gar richtig undt woll. Der narr vom stieft Osnabrück war närischer alß der herr Stöcken, den die pagen alß Toverboom geheißen haben; ich erinere mich seiner noch gar woll: er war klein, buckellicht, scheff undt heßlich von gesicht undt meinte, schön zu sein, wolte alß daß man ihn Ihr Exellentz heißen solte, denn [145] er gab sich vor einen Keyßerlichen ambassadeur auß. Aber der narr vom stieft Osnabruck muß viel artiger gewest sein, die engel zu unterrichten, so ihnen so favorablement vor das hauß Braunschweyg durch des himmels loch hatte fallen machen. Mad. de Maintenon hatte eine narin, die ging oft nach ihrer meinung im himmel; man hieße sie la petite Jeane, die war recht artig, aber nur narisch par acces. Aber man konte sie närisch machen, wenn man wolte, wenn man ihr nur die naß aufschürte[1], wurde sie gleich närisch. Wenn sie nicht in acces war, hatte sie viel verstandt; sie ist erst vergangen jahr gestorben. Sie sagte alß parceque je ne suis qu’une paisanne, on me desclare folle; si j’estois une femme de qualité, on diroit: elle a des vapeurs. Sie war einmahl, wie sie sagte, im himmel, da kamen viel seellen ahn, unter andern Lulli[2], der stelte sich ahnfangs sehr devot ahn, endtlich aber vergaß er sich undt sung sein opera von Armide[3]. Da wurdt unßer herrgott sehr zornig undt rieff Sanct Petrus undt sagt zu ihm: Desquoy vous avissés vous de faire entrer en paradis ce mechant Lulli, qui merite les enfers? Worauf Sanct Petrus geantwortet: Seigneur, il y [a] 6 semaines que je suis malade sur le grabat[4]; j’ay donné mes clefs à St. Jerome, qui ne cognoit pas son monde comme moy. Mais laissés moy faire, je le ferai bien sortir. Da hette Lully aber seine helas helas! gesungen, so in sein Alceste[5] stehen. Sie konte auch alle menschen perfect nachmachen, undt wenn sie im access war undt man jemandts nennte, meinte sie gleich die person zu sein undt machte sie perfect nach. Paris ist itzunder voller ahnsteckender kranckheiten. …
Gott gebe, daß der König in Englandt seine mühe nicht umbsonst ahnwende, in der gantzen christenheit einen generalfrieden zu verschaffen. Alberoni muß ein opiniatre kerl sein, nicht seinen eüßersten fleiß ahnzuwenden, den frieden zu befördern, denn die Spanier seindt ja dieß jahr sehr unglücklich geweßen. Der Czaar hat nichts guts im sinn, undt unßere liebe seel. Churfürstin hat woll groß recht, wenn I. L. zu dem Czaar selber sagten[6], daß sie fürchte, man würde ihn zu klug vor gantz Teütschlandt machen; undt er würde es gewiß auch geworden sein, wenn er nicht alle tag zu viel sauffen thete. Das ist doch schadt, denn der herr ist sonst ahn [146] genehm undt von guttem verstandt. Wir haben nichts neües hir. Man herbst hir schon überall, denn die abscheüliche hitze macht alle trauben abfahlen; dieße sorg hat man zu Hannover nicht, es sey dan, daß man weingert gepflantzt hat seyder ich weg bin. Aber ich hab observirt, daß man beßern wein drinckt, wo keiner weckst, alß in den landern, wo er weckst, denn die, so den wein kauffen, kauffen den besten, undt der schlimbste bleibt im landt. Durch mein fenster sehe ich herbsten, es wümmelt voller leütte in den weingerten. Hirmit habe ich genung geplautert. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 31. August 1719 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 144–146
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0086.html
Änderungsstand:
Tintenfass