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Brief vom 23. November 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


91.


[149]
St. Cloud den 23. november 1719.
… Es wirdt unßerer lieben printzes von Wallis woll hertzlich leydt sein, daß der König in Preussen nicht hat nach Hannover kommen können undt kranck worden, denn erstlich hat sie dießen schwager gar lieb undt zum andern so hatte sie sich recht drauf gefreüet. Aber so geht es in der welt: waß man hofft undt nach aparentz sicher meint, geht zurück. Ich glaube, daß der König in Englandt sich in Hollandt wirdt aufhalten müßen, wofern es dort so stürmisch wie hir ist. In meinem sinn ist es eine widerliche sache, auf der see zu reißen; mir stündt es nicht ahn. Gott bewahre den König undt führe ihn woll undt gesundt über. Aber wenn die bößen minister, so unßerm printzen undt printzes von Wallis so viel hertzeleydt ahnthun, den walfischen undt meerwundern ein wenig eine visitte geben, were es eben kein großer schaden. Alberoni aber, so mehr das [150] feüer alß das waßer verdint, wünsche ich ein salamandre zu werden; es ist woll ein verfluchter pfaff, der nichts alß alles übels ahnrichten kan. Es mag also auch gar woll sein, daß diß saubere bürschgen es mit den pfaffen zu Heydelberg ahngestelt hat, die armen reformirten zu plagen; wenn selbige boßhafftige pfaffen auch ein wenig könten gezüchtiget werden, were es mir nicht leydt, sie hettens woll verdint; dem Churhauß hat es kein glück gebracht. Die Pfaltzgraffin von Sultzbach, des Churfürsten[1] fraw dochter, hat sich abermahl von einem printzen blessirt undt gar ein unglücklich kindtbett gehabt. Die pfaffen machen Churpfaltz weiß, Heydelberg seye dran schuldig, wirdt also die arme Pfaltz wider quittiren; ob I. L. aber nach Neüburg oder nach Düßeldorf [gehen] werden, weiß ich nicht. Mir ist es vor die gutte Pfaltz leydt; were ich Churfürst, blieb ich gern dort, denn es ist gar gutt dort wohnen, undt [ich] glaube [nicht], daß das landt zu Neüburg undt Düßeldorf schöner alß die liebe Unterpfaltz ist, aber wie das sprichwordt lautt:
Einem jeden seine weiß gefelt
Undt seinen dreck vor weihrauch helt.

Aber von waß poßirlichers zu reden, alß von dem unglück der armen Pfaltz, so muß ich Mons. Harling verzehlen, wie narrisch die banque von Mons. Law hir alle menschen macht, insonderheit die damen. Der interes ist abscheülich hoch in Franckreich gestiegen, weilen es den leütten den hirnkasten gantz verruckt, undt alles waß sie erdencken, umb mit mons. Law zu sprechen, ist gar zu poßirlich. Eine mad. de Bouchu hat etlich mahl gesucht, mit ihm zu sprechen, undt nicht dazu gelangen können; ließ ihm aufpaßen, wie er mit mad. de Simiane zu mittag aß. Sie fuhr in den hoff undt ließ mad. de Simiane, so eine von Mad. d’Orléans damen ist, bitten, daß sie mit ihr zu mittag eßen mögte. Mad. de Simiane kam zu ihr ahn die kutsch undt bat sie, sie mögte sie entschuldigen, denn sie hette Mons. Law ahn ihrer taffel, der wolte niemandts sehen, könte ihr alßo dießmahl nicht zu eßen geben. Mad. Bouchu schweigt still, befiehlt ihrem kutscher undt laquayen, au feu mit aller macht zu [schreien]. Das thun sie; das macht lermen, alles läuft auß dem hauß, Mons. Law auch. Da springt Mad. de Bouchu auß der kutsch, sagt zu Mons. Law: Non, il n’y a point de feu, j’ay imaginé cela pour pouvoir vous parler. Es gibt auch schone conversationen. Eine zimblich alte dame, so einen geheürahten sohn hat, ich kenne sie gar woll, ihr erster mann ist mein chevalier d’honneur [151] geweßen, sie ist itzunder la comtesse de la Motte, die hat in gewohnheit, allezeit ein wort vor das ander zu nehmen; die wolte [von] Mons. Law eine concession im Missisippi fordern; ahnstatt dießes sagte sie: Monsieur, je voudrois bien que vous me donassiés une conception. Mons. Law andtwortete: Madame, il est trop tard, je suis trop vieux. Eine andere dame, so [von] Mons. Law actionen fordern wolte, konte ihn weder zu sehen, noch zu sprechen bekommen, die gab ihrem kutscher ordre, sie gerad vor dem thor umb zu werfen, undt rieff zum kutscher: Eh verse donc coche, verse, moy, je le veux. Der kutscher warf sie umb, Mons. Law kam geloffen, umb zu sehen, ob sie nicht blessirt were, sie aber rieff: Non, je ne me suis fait verser que pour vous parler. Sechs damen von qualitet verfolgten Mons. Law so abscheülich in seinem hoff, daß er endtlich sagte: Mesdames, je vous demande mille pardon, mais puisque vous ne voulés pas me laisser aller, je suis obligé de vous dire, que je crève d’envie de pisser, au nom de dieu, laissés moy aller. Die damen andtworteten: Cela ne fait rien, pissés tousjours. Er that es; es kam ihm aber ein solch lachen drüber ahn, daß er schir umbgefallen were. Aber hiemit seindt auch exempel genung von der frantzöschen damen narredeyen. Man hört in der welt von nichts anderst reden, alß soumissionen, actionen, Missisippi undt rue de Quincampoix[2]; ich bins so müde, daß ich es schir nicht mehr außstehen kan. Ich werde leyder übermorgen über 8 tag nach Paris, umb dort dießen winter zu bleiben. Kein ort in der welt ist mir so zuwider, alß Paris. Ich fürchte, wir werden endtlich die pest dort bekommen, denn es seindt gar zu viel leütte dort; die banque von Mons. Law zicht von allen orten so viel leütte nach Paris, daß es unglaublich scheindt; seyder 4 wochen sollen 250 tausend menschen mehr zu Paris sein, alß vorher geweßen. Gott gebe, daß unter dießer zahl sich keine Alberonisten undt du Mainesche finden; gott stehe uns bey, wir habens hoch von nöhten. Ich dancke Mons. Harling sehr vor seine gutte wünsche undt verbleibe … [152]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 23. November 1719 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 149–152
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0091.html
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