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Brief vom 29. Februar 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


98.


[157]
Paris den 29. februar 1720.
… Ueberall hört man von schleünigen sterben, auch in Teütschlandt: die Keyßerin Leonore[1] undt die Pfaltzgräfin von Sultzbach[2] sindt beyde ahm schlag gestorben. Ob es zwar die mode bey den Pfaltzgräfinen ist, will ich doch mein bestes thun, dieße mode noch nicht so baldt zu folgen; jedoch wenn es gottes will sein wirdt, wünsche ich mir viel eher einen geschwinden, alß langsamen todt. Unßere liebe seel. Churfürstin[3] hat mir gar oft geschrieben, daß sie sich einen todt wünsche, wie der war, so sie gehabt hat… Alberoni hat nicht zu Genua wohnen wollen, ist in ein stättgen 4 meilen davon gezogen; ich glaube, er fürcht die printzes des Ursins. Die zwey böße teüffel kenen sich zu woll, umb sich nicht vor einander zu fürchten, sie wißen beyde gar woll, waß sie im schilde führen; gott wirdt ihnen auch mit der zeit ihren verdinten lohn geben. Alberoni soll doch sagen, er hoffe noch mit der zeit undt seinen intriguen papst zu werden. Der pfaltzische secretarius[4] sagte mir vorgestern, daß sich die religionssachen accommodiren; das ist schon ein effect von der Keyßerin[5], des Churfürsten fraw schwester, worauf man das frantzösche sprichwordt [158] sagen kan: à quelque chose malheur est bon. Die zuneygung zu meinem vatterlandt ist mir dermaßen eingepregt, daß es so lang alß mein leben dawern wirdt…
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. Februar 1720 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 157–158
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0098.html
Änderungsstand:
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