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Brief vom 31. März 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


101.


[160]
Paris den 31. mertz 1720.
… Ich glaube, der teüffel ist dießes jahr gantz außgelaßen mit dem assassiniren; es geht seyder eine zeit her keine nacht vorbey, daß man nicht leütte assassinirt findt, umb von den billets de banque zu stehlen. Leütte von großer qualitet haben sich in dieß heßliche undt abscheüliche handtwerck gemischt, unter andern ein junger schöner mensch von den flanderischen graffen von Horn[1]: der hat einen commis mit billets de banque kommen laßen, alß wenn er ihm billets abhandelen wolte; sobaldt der commis ahnkommen, hat er sich selbzweyt auf ihn geworfen undt dießen armen kerl poignardirt mit poignards, so sie 3 tag vorher au pont neuf gekauft hatten. Hernach, umb die sach zu verhehlen, ist er zum commissaire de quartier gangen undt hat gesagt, er hette dießen commis umbbringen müßen, weilen er ihn hette assassiniren [wollen]. Der commissaire sahe ihn ahn undt sagte: Vous estes tout en sang et point blessé, ainsi trouvés bon, que je vous areste et examine l’affaire de plus pres. In dem augenblick trat der complice in die cammer, wie der comte Horn andtwort: Tenés Monsieur voicy qui pourra vous tesmoigner, que ce que je vous dis de l’assassinat est vray. Dießer aber, der schon von der boßen that troublirt war undt auch gewiß durch schicken gottes meinte, der comte Horn hette alles gestanden, gestundt gleich alles. Beyde seindt also vergangenen dinstag gerädert worden. Dießes war schon der [161] dritte assassinat, so dieße zwey feine leütte gethan hatten. Sie haben ein schön endt genohmen, ihre sünde von hertzen bereüet, gott continuirlich umb verzeyung gebeten. Der graf war nur 22 jahr alt. Mons. de Mortagne hat mir dießen grafen vor 3 oder 4 wochen presentirt, war mein chevalier d’honneur; dießer ist vergangen montag morgendts in seinem bett gestorben undt der graf den andern tag abendts umb 4 uhr gericht worden. Das gibt gar trawerreiche idée. Gantz Franckreich hat vor den comte Horn sollicitirt, aber mein sohn sagt, daß vor eine solche abscheüliche that ein exempel müste gestift werden, wie auch geschehen zur großen satisfaction von dem popel, so gerufen: nostre regent est juste. … Alberoni undt die printzes des Ursins kenen einander zu woll, umb einander trawen zu können. Ich habe woll gedacht, daß des papst undt dießes cardinals querellen nur ein spielwerck war; er hat ihn schon wieder loßgelaßen, helt ihn wie eine dogue, umb ihn gegen die zu hetzen, welchen er nicht gutt ist. Das kleine pfaltzische secretairgen[2], so hir ist, versichert sehr, daß die religionssachen geschlicht sollen werden; gott gebe es, aber die pfaffen zu Heydelberg hetten hoch von nöhten, daß Churpfaltz sie zur raison brächte, seindt boße gesellen. … Gestern hat man noch 4 frisch getödte corper in der rue Quincampois in einem zichbrunnen gefunden. Man hat vor 8 tagen zwey kerl gebrendt, deren sünden so abscheülich undt gottslästerlich geweßen seindt, daß der greffier, so es hat schreiben müßen, übel darvon geworden. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 31. März 1720 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 160–161
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0101.html
Änderungsstand:
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