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Brief vom 11. April 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


103.


[162]
St. Cloud den 11. aprill 1720.
… Mich wundert recht, daß sein vetter in den langen jahren Franckreich nicht beßer gelernt hat, alß ich sehe, daß er es weiß. Ist es möglich, daß sein vetter pretendiren kan, daß ich einen teütschen, den ich erzogen, vor meinen chevalier d’honneur nehmen dörffte, wenn 8 personen von qualitet undt von den besten nahmen in Franckreich es begehren? Hir sicht man auf keine angen[1] nicht, aber woll auf nationen. In meinem [163] hohen alter würde ich mir noch einen boßen nahmen gemacht haben, wenn ich seinen neveu einem vorgezogen hette, so schon mein premier escuyer undt vom hauß von Simiane ist. Das ist eine sache, so auf exempel bestehet: Mons. de Mortagne war mein premier escuyer undt ist chevalier d’honneur worden, der nicht von so guttem hauß war, alß Simiane. Man muß die Frantzoßen nicht kenen, wenn man meint, daß es ahngehen kan, daß man ihnen frembte vorzicht. Jemandts muß auß neydt Harling dießes in den kopf gebracht haben. Das seindt hoffpoßen: wenn man den leütten sonst nicht schaden kan, stelt man sich ahn, alß wenn man die beste freündt were, undt bringt ihnen schlimen raht in kopf. Ich habe ihm sein tort selber nicht sagen wollen, habe ihm einen seiner freünde geschickt, umb ihn begreiffen zu machen, daß man ihm einen gar schlimen raht gegeben, denn so sachen gehen hir nicht ahn. Ich habe Harling lieb, ich habe ihn erzogen, aber er hat sich nicht über mich zu beschwehren, undt alle welt ist zeüge, daß ich ihn in alles woll tractirt habe, undt habe mir hirin nichts vorzuwerfen, aber ihn über mein gantzes hauß zu setzen, das konte nicht ahngehen, das kan mir niemandts rahten, dazu weiß ich zu woll die hießige manieren. Ich habe seinen vetter in vertrawen wahrnen laßen; ahnstadt meine trewe wahrnung woll aufzunehmen, hat er geprotzt wie ein kindt von 6 oder 7 jahren. Kein mensch in der welt kan vor eine ungnade halten, wenn ich meinen capitaine des gardes meinem premier escuyer nicht vorziehe, der vom hauß de Simiane ist undt deßen mutter schon in meinen dinsten geweßen undt meiner freüllen hoffmeisterin war. Wenn Harling sich hirüber beklagen solte, würde er sich braff außlachen machen. Waß ahnlangt, chevalier du St. Esprit zu werden, hat er deßwegen nicht von nöhten, mein chevalier d’honneur zu sein, umb den orden vom St. Esprit zu haben, denn viel kriegsofficirer haben solchen. Wenn die promotion werden wirdt, werde ich lengst in jener welt sein, denn mein sohn alß regent kan keine promotion de l’ordre machen, undt ehe der König majeur sein wirdt. Also sicht Mons. Harling ja woll, daß man seinem vettern da sachen in den kopf gesetzt hat, so von gar weittem außsehen noch sein. Ich kan nichts versprechen, waß nicht bey mir stehet; stünde es bey mir, würde er es morgen haben… Man hat diß Harling in kopf gesetzt, umb ihn gegen mir aufzuwicklen; ich kene dieße maniren woll, sie seindt von hir im landt, aber ich hette Harling nicht so einfeltig geglaubt, in dieß paneau[2] zu fallen. Das wirdt schon wider zurecht kommen… [164]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. April 1720 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 162–164
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0103.html
Änderungsstand:
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