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Brief vom 4. Juli 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


109.


[169]
St. Cloud den 4. Julli 1720.
… Ich divertire mich so viel ich kan in plaisirs innocents, mische mich in keine affairen, wünsche nur den rest von meinem leben in ruhen zuzubringen. Gestem fuhr ich nach Paris, aß mit meinen enckeln zu mittag, nach dem eßen bekam ich viel visitten, besuchte dan die commedie. Sie spilten la mort de Pompée[1] undt Crispin rival de son maistre[2]; beyde stück wurden woll gespilt, Baron[3] war César undt die Desmare[4] seine schulerin Cornelie, spilten beyde über die maßen woll. Die Desmare hat eine dochter von meinem sohn, so er nicht erkandt, aber doch sehr lieb hat, hat sie ahn einen mann von qualitet geheüraht, so le marquis de Segure[5], ist cammerpage bey dem seel. König geweßen. Wenn dieße dame in unßer loge ist, kan die Desmare kein aug von ihr verwenden, oft kommen ihr die threnen auß tendresse in die augen. Baron hat just 6 mont mehr alß ich, wirdt umb november 69 jahr alt werden, er scheindt aber viel jünger auf dem theatre. Man rümbt hir viel von einem Floridor, so beßer soll geweßen sein, alß Baron, ich habe es aber mühe zu glauben. [170] Die medisance will, daß Baron Floridors sohn sein solle, denn er war sehr in Baron seine mutter verliebt, so gar ein schön weib gewest ist. Floridor war noch nicht todt, wie ich in Franckreich kommen bin, aber so potegramisch, daß er weder gehen noch spillen konte. Baron hat noch alle seine zähn undt die außsprach gar gutt, auch seine stimme scheindt nicht alt, aber die schenckel seindt steyffer alß vor dießem. … Die Maintenon hatte vor 28 jahren (umb unß alle doll zu machen) Baron persuadirt, die commedie zu quittiren, sie wolle ihn cammerdiner bey dem König machen, ihm große pensionen zuwege bringen undt sein fortun gantz machen. Er sagte es mir damahls zu Fontainebleau; ich sagte ihm bladt herauß: man bedriegt euch, trawet der Maintenon noch Monchevreuil[6] nicht, ich kene den König gar zu woll, in ewigkeit wirdt er euch nicht in seine cammer nehmen. Er wolte mir aber nicht glauben undt quittirte. Wie er aber sahe, daß man ihn betrogen hatte, wolte er wider in die troupe, aber die Maintenon hat es nicht erlauben wollen, sondern hat durch den König ihm expresse verbieten laßen, nicht dran zu gedencken. Nach des Königs todt hat er nicht dran gedacht, die Desmare aber, alß sie gesehen, daß niemandts mehr zu ihnen ging, hat erdacht, daß, wenn Baron wider in der troupe, es beßer gehen würde undt hat ihn persuadirt. Sie kam zu mir undt sagte, daß, wenn ich meinem sohn nur ein wordt sagen wolte, Baron wider in die troupe kommen würde. Ich sprach meinem sohn darvon, der erlaubte es; so ist er wider in die troupe kommen undt reussirt gar woll. …
Ob ich zwar nicht die ehre habe, die printzes von Wallis zu kenen noch personlich gesehen zu haben, so finde ich ihre sentiments so gerecht, so tugendtsam, daß sie mir gantz das hertz gewonnen undt [ich] habe sie so lieb, alß wenn sie mein eygen kindt were. … Von den billetts de banque will ich nichts mehr sagen, die seindt meine aversion. Mein [sohn] führt ein widerliches leben undt ist wie Moses eine geplagte seel. … Kein mensch weiß, wo Alberoni hinkommen ist, aber die meisten meinen, er seye nach Wien, umb seinen geweßenen herrn sambt gantz Spanien ahn den Keyßer zu verrahten. Ich bitte, Mons. Harling wolte doch Sigr. Ortence vor seine vers dancken. Ich werde mein leben keine vers à la louange de l’archevesque de Cambray[7] machen, er hat mir mein leben zu sehr versaltzen mit meines sohns heüraht. … [171]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. Juli 1720 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 169–171
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0109.html
Änderungsstand:
Tintenfass