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Brief vom 1. August 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


111.


[172]
St. Cloud den 1. augusti 1720.
Mons. von Harling. Ich hatte gehofft, vergangenen sontag schon auf sein schreiben andtworten zu können, allein es war mir ohnmöglich, denn außer die ordinarie brieff hatte ich 4 extraordinarie zu schreiben: alß durch den graffen von der Lieb,[1] der gräffin von der Bückeburg[2] herrn sohn, so wider nach Englandt gangen, habe ich 16 seytten ahn unßere liebe printzes von Wallis geandtwortet undt 16 seytten geschrieben, auch einen kleinen brief ahn des graffen fraw mutter; hernach habe ich noch zwey brieff schreiben müßen, einen ahn meine dochter undt den andern ahn die Königin von Spanien,[3] so zu Bayonne wohnt, welche schreiben die 2 printzen von Saxsen Gotha[4] begehrt, so von Paris weg sein, umb den gantzen tour von Franckreich zu thun; abendts umb 8 kam mein sohn her, mit dem ich ja auch ein wenig blaudern muste, er war herkommen, sich von seinen großen fatiguen ein wenig außzuruhen undt sich mit seinen gutten freünden undt freündinen ein wenig lustig zu machen. Die unaussprechliche hitz hat noch Dinstag gewehrt, abendts aber kam ein donnerwetter mit einem platzregen, das hat die lufft ganz erfrischt; es war gestern das schönste wetter, weder warm noch kalt. Ich machte mirs auch braff zu nutze, fuhr au bois de Boulogne zur Chausseraye, wo ich lenger alß eine stundt zu fuß spatzirt; mehr kan ich leyder nicht mehr thun, das thut (wie Pickelhäring sagt, wenn er mutter Angen[5] spilt) das liebe alter, aber in dem fall muß man gedult haben, denn das wirdt nicht beßer, sondern alle tag schlimer werden. Hir weiß kein mensch, daß man armirt, allein solte es wahr sein, glaube ich, daß es in dießem fall geht, wie das frantzösche sprichwordt sagt: Quand il fait beau, prend ton manteau. Hir spricht man nichts alß vom congré vom frieden, so zu Cambray tractirt soll werden. Mein sohn wünscht nichts mehr, alß einen gutten [173] beständigen frieden; man kan aber nicht länger frieden halten, alß der nachbar will. Politisiren ist mein sach gar nicht, undt wer all sein leben ein rauschenplattenknecht geweßen, versteht sich kein haar auf staatssachen, aber ich wünsche von grundt meiner seelen, daß der König in Englandt in der gutten intention reussiren mag, einen generalfrieden in der gantzen christenheit zuwege zu bringen. Ich bin aller der banksachen, es seye Missisippi[6] oder Saudsee,[7] so müde, alß wenn ichs mit löfflen gefreßen hette. Ich kans nicht begreiffen, undt ahnstatt gelt undt golt nur zettelger von papir zu sehen, gefelt mir gantz und gar nicht. Ich kan mich nicht freüen, wenn Teütsche in den actionen gewinnen, denn ich sehe, daß es nur lautter geitz verursacht, undt ich mögte lieber waß sehen, so die leütte zur tugendt ahnreitzen mögte. Wenn die, so in dießer banque verliehren, mir ihren verlust klagen, haben sie wenig trost bey mir, denn ich andtworte: Voila ce que c’est d’estre interessés et de vouloir tousjours gagner. Kirschen undt erdtberen seindt nun vorbey, wir haben noch maulbeeren, himbeeren, apricosen undt allerhandt birnen, mandeln undt nüße; ich finde nicht, daß das obst hir im landt einen so gutten geschmack hat, alß in der Pfaltz… Descartes[8] hat selber nicht geglaubt, waß er geschrieben, denn ich kene jemandts zu Paris, so freündt von einem abt geweßen, so des Descartes gutter freündt war, der hat ihm gesagt, daß Descartes mit seinem freündt selber über sein systeme gelacht hat undt gesagt: Je leurs ay taillé de la besogne, nous verrons, qui sera assés sot pour y donner. Das glück hab ich all mein leben gehabt, daß ich mich gar woll mit plaisirs innocents divertiren können, die sich damit nicht divertiren wollen oder können, müßen oft bitter lange weille haben… Man sagt hir, daß der König in Preüssen so abscheülich karg seye, daß ihm todtangst sey, der König in Englandt, sein oncle undt sein schwigerherrvatter, würde ihn zu Berlin besuchen, daß er sich deßwegen resolvirt, geschwindt nach Hernhausen zu kommen. Ob diß wahr ist, weiß ich nicht…
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. August 1720 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 172–173
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0111.html
Änderungsstand:
Tintenfass