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Brief vom 2. April 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


121.


[184]
Paris den 2. aprill 1721.
… Der frühling fangt schon ahn, ob es dauern wirdt, weiß ich nicht, denn das alte sprichwort ist, daß Pilatus[1] in der Carwochen allezeit ein gerumpel macht undt einen sturm ahnstelt. Wir werden baldt sehen, waß drauß werden wirdt, denn biß sontag treten wir ja in die Carwoche, weilen es palmensontag sein wirdt. … Das frühlingswetter bekompt mir gar woll, aber es wirdt mir noch beßer bekommen, wenn ich in meinem lieben St. Cloud sein werde, wo ich, ob gott will, den montag nach Quasimodo hin werde, umb dort den frühling, sommer undt biß gegen das endt vom herbst zu verbleiben; das wirdt mich wider erhollen, denn die luft dorten ist mir gesunder, alß die Pariser luft, welche ich nie habe vertragen können. …
[185] Donnerstag den 3. april. Gestern bin ich so interrompirt worden, daß ich dießen brief biß heütte hab versparen müßen. Ich war gestern ahn dem alten sprichwort geblieben, so ich in einem von meinen letzten brieffen citirt hatte: Tant va la cruche à l’eau, qu’à la fin elle se casse, aber ernstlicher davon zu reden, so wißen ja alle menschen woll, daß wir nur gebohren werden, umb zu sterben, bin also allezeit verwundert, wenn ich die leütte leben sehe, insonderheit die geitzigen, alß wenn sie ewig leben solten, undt nicht begreifen, daß ihnen ein endt kommen muß undt kein sperren es wehren kan, womit man sich nur selber angst undt qual verursachet, dahergegen, wenn man sich in den willen gottes ergibt, kan man sein endt ruhig erwarten. … Man hat jetzt woll groß unrecht in Teütschlandt, die frantzöschen moden folgen zu wollen, sie solten sich eher, insonderheit die damen, eine ehre suchen, sich durch tugendt undt ehrbarkeit von andern nationen zu unterscheiden undt ihnen gutte exempel geben. Es ist gewiß, daß nicht alle menschen auf einen schlag sein können undt daß unglückliche temperamenten sein, aber denen gott die gnade gethan, durch tugendtsame inclinationen von andern unterschieden zu haben, die solten sich durch keinen pretext der frantzöschen moden zu dem boßen verleyten laßen, sondern sich eine ehre machen, anderst zu sein. … Den Pöllnitz[2] hat mein sohn auf seiner tanten oder baßen bitt wider loß gelaßen; er ist in Spanien gereist; waß er dort ahnstellen wirdt, mag die zeit lehren. Er ist aber beßer dort, alß ahn keinem andern ort, weilen man die laster wenig in Spanien straft; aber der galgen verliehrt sein recht; wo der Pöllnitz sich nicht bekehrt, mögte er woll dieß schlimme endt nehmen. Die welt ist jetzunder in allen orten abscheülich verdorben. Ich weiß nicht, ob ich Mons. Harling verzehlt habe den possen, so Mons. Ilten[3] hir widerfahren, womit ich ihn woll vexire. Es ist ein teütscher schweitzer auß Englandt kommen, so viel verstandt hat undt in allen affairen gebraucht worden, worinen mylord Stanhop[4] sich gemischt. Dießer mensch ist chevalier in Englandt gemacht worden, heist Mons. Schaub; et hat einen secretär, der auch von Basel, aber nicht so schlau ist, alß er; dießem hat die printzes von Wallis 60 guinéen geben vor Mons. Ilten, vor spitzen, so er vor I. L. gekauft, undt Mons. Iltens bruder hat dießem secretarius 2 hundert guinéen geben, seinem bruder zu bringen. Wie sie zu Paris ahnkamen, fragte Schaubs secretari den ambassadeur, wo Mons. Ilten [186] logire; der abgesandte sagts ihm, nente das hauß undt sagte, er logire im zweyten stockwerck. Der secretarius ging hin; wie er ins hauß kompt, fragt er nach Mons. Ilten, sindt einen menschen, der fragt ihn, waß er ihm wolte? Er sagte: ich habe einen brief undt gelt vor ihn von seinem bruder, auch 60 guinéen von der printzes von Wallis. Dießer antwortet: Gebt mirs, ich bin Ilten. Der arme dropf, so noch 50 guinéen in seinem sack hatte undt eine goltene undt silberne uhr, gibt dem falschen Ilten, waß vor ihn sein solte. Der fragt ihn, ob er sich nicht ein wenig außruhen wolte undt zu nacht mit ihm eßen? Dießer sagt gar gern; der ander führt ihn in seine kammer ahn tisch. Nach dem ersten trunck wirdt der secretarius so schläfferig, daß er den kopf nicht mehr aufrecht halten kan; der mit ihm unter dem nahmen von Ilten geßen, sagt zu ihm: die reiß hat euch schläfferig gemacht, da ist ein gutt bett, legt eüch drin undt schlaft ein par stundt, ich will schon vor ewere kleyder sorgen. Dießer legt sich zu bett. Er hatte einen mohren, der ihm dint undt gar trew ist; alß der seinen herrn nicht wiederkommen sicht, wirdt ihm angst, geht ins hauß, fragt, wo sein herr seye? Man antwortet im hauß, er were droben in einer cammer undt schlafe. Der mohr geht ’nauff, weckt seinen herrn undt sagt, Mons. Schaub were sehr in sorgen vor ihn, er solte doch wider nach hauß gehen. Er steht auf, findt seine kleyder, aber die säck geleert, sagt, Mons. Ilten wirdt alles eingeschloßen haben, damit es nicht verlohren wirdt. Man sucht dießen pretendirten Ilten undt erfährt, daß, sobaldt der secretarie sich gelegt, er die post genommen hette undt verreist were. Der secretarius von Schaub geht nach hauß undt verzehlt, waß ihm begegnet. Man fragt ihn, wie Mons. Ilten außsehe? Er sagte: er ist ein schön klein braun mängen. Da kam der betrug herauß undt die leütte im hauß funden, daß in dem wein, so man den armen Baseler hat drincken machen, opium geweßen. Der ambassadeur kendt den Engländer, so dieß schöne stück gethan, er hat wollen ohne gage in seinen dinsten sein, wenn er ihn nur mit sich nach Cambray führen wolte; er heist Dagy, ist wieder in Englandt gereist. Ich plage Mons. Ilten braff damit, daß er ein so schön braun mängen ist undt so braff stehlen kan.
Der comte de Charolois[5] lebt gar nicht wie ein prince du sang solte, ist bitter übel erzogen, weiß gar nicht zu leben, sein vetter, der printz [187] de Conti auch nicht, seindt alle 3 dolle gesellen. Ich hette Mons. Klenck nicht vor so grob undt barbarisch ahngesehen, hette es seinem wüsten sohn eher zugemuht. Es ist kein wunder, daß dießes heßlichen menschen fraw gestorben, es war gewiß auß betrübtnuß, dießen mann zu haben. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 2. April 1721 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 184–187
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0121.html
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