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Brief vom 16. April 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


122.


[187]
Paris den 16. april 1721.
… Ich bin nun gott sey lob undt danck [beßer], hoffe aber, baldt noch beßer zu sein, denn zukünftigen montag, wills gott, werde ich nach St. Clou ziehen. Ich freüe mich drauf wie ein kindt, denn ich liebe Paris gantz undt gar nicht, ist mir auch bitter ungesundt; ich bin ahn gutte frische luft gewöndt, die man hir nicht hat; alle gaßen stincken, daß man nicht dawern kan, denn sie auf allen gaßen häringe undt stockfische in den fasten verkauft haben, undt die hitze ist auf einmahl kommen, das gibt einen solchen gestanck, daß einem übel davon werden mögte; erwarte also den montag mit großer ungedult, umb auß dießem gestanck zu kommen, das gantze palais Royal stinckt auch nach piß, daß man nicht dawern kan.
Donnerstag den 17. april umb ein viertel auf 8 morgendts.
Ich habe woll gedacht, daß ich gestern nicht würde außschreiben können; vor dem eßen hab ich ein kindt auß der tauff gehoben mit meinem enckel, dem Duc de Chartres, nach dem eßen haben mich meine leütte gebetten, ihnen zu geben waß ich dieß jahr nach St. Cloud haben will; das hat mich eine gutte stundt aufgehalten, denn sie machen paqueten, alß wenn man nach Constantinople ginge, undt St. Cloud ist doch nur eine stundt von Paris. … Man hört überall von nichts alß krancken; ich glaube, daß das so gar unbeständige wetter dran schuldig ist. Wir haben 5 oder 6 tag eine solche hitze hir gehabt wie in den hundtstagen, heütte aber ist es wieder so kalt, daß man fewer machen muß, das kan nicht gesundt sein; das unbeständige wetter hat mir einen rauen halß geben, ob ein husten drauß [188] werden wirdt, weiß ich noch nicht; aber waß es auch sein mag, wirdt es mich doch nicht hindern, biß montag nach St. Clou zu gehen, umb dort zu bleiben. Ich finde, daß das frühe schlaffen gehen undt wieder früh aufstehen gar gesundt ist; umb 9 gehe ich ins bett undt umb 6 stehe ich auf; diète halten kan woll gesundt sein, aber es ist nicht lustig, wie alle gar gezwungene sachen. … Ich bin froh, daß es Mons. Harling ahngenehm ist, daß ich seine freündin bleibe. Es ist mir auch lieb, daß freüllen von Pöllnitz mit mir zufrieden ist. Sie hat groß recht, übel von ihrem vetter wie von Schlieben zu reden; ihr vetter sagt, Schlieben were ihm gar nahe von seiner mutter seytten verwandt, aber ich glaube, daß ihre groste verwandtschaft in der sympathie von lügen undt trügen bestehet, welches sie meisterlich können. Jedoch muß ich Schlieben das zeügnuß geben, daß er nicht so medisant alß Pöllnitz ist, er hat auch viel mehr verstandt undt spricht woll in allen sprachen undt gar gutt teütsch. Einsmahl habe ich ihn doch braff bezahlt: er sagte zu mir: Ich höre überall, daß Ewere Königliche Hoheit von mir sagen, Schlieben hat viel verstandt undt spricht woll in allen sprachen, insonderheit in teütsch, ich höre aber nie sagen, daß sie gesagt hetten, daß ich ein gar ehrlicher mann seye. Ich andtwortete: Mons. Schlieben, weißet mir dießes letzte so klar, alß ich das ander sehe, so werde ich es auch sagen. Das gab ein groß gelächter in meiner cammer, er descontenancirte sich aber gantz undt gar nicht, welches mich wunder nahm, dachte aber in meinem sinn, daß es das erste mahl nicht ist, daß man ihn so bescheyden hat. Warum Pölnitz zu Bayonne arestirt worden, war, daß, wie er auß Spanien kam, er sich hat verlauten laßen, alß wenn er viel commissionen hette ahn alle die, so von der conspiration geweßen. Mein sohn hat ihn aber wieder laufen laßen, wie auch einen andern edelmann, so auch gar nichts deücht undt mein page geweßen: ein Neuhoff[1] von geschlecht; so lang er bey mir geweßen, hat er sich woll gehalten, drauf hab ich ahn Chürbayern recommandirt, der hat ihn erst zum leuttenant, hernach zum captein gemacht. Er hat sich aber zum spillen begeben undt das hat ihn zum schelmen gemacht, hat hir seinen schwager[2] ermorden wollen, umb gelt von ihm zu bekommen; er hat 2 oder 3 weiber genohmen, hat seinen [189] stiefvatter nach seiner mutter todt bestohlen, der ihm alles guts gethan, er hat auch seine schwester nach ihres manns todt bestohlen undt ist mit durchgangen. Das feine bürschgen hat noch die effronterie, nach allen dießen schönen thaten mir zu schreiben undt seine dinste ahnzubieten. Pölnitz undt er schicken sich gar woll zusamen, können aber woll einmahl mit einander einen galgen ziehren. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. April 1721 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 187–189
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0122.html
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