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St. Cloud den 26. april 1721.
Mons. von Harling. Wie ich sein schreiben entpfangen, hatte ich
gehofft, eine lustige andtwort zu machen durch die freüde, mich wider in
meinem lieben St. Cloud zu sehen, aber wie gar nichtig seindt doch der
menschen ahnschläge, denn ich schreibe ihm heütte mit recht schwehren hertzen,
denn die arme madame Borstel, so mich seyder 30 jahren nicht quittirt
hatte, ist dieße nacht gestorben.
[1] … Wer hette sagen sollen, daß eine fraw
von 36 jahren von unßerer geselschaft sterben sollte, da wir hir 2 damen
haben von 86 undt 84 [jahren]. Ich bin ja im zukünftigen mont 69 aldt,
die fraw von Ratzenhausen
[2] ist aufs wenigst anderthalb jahr alter, alß
ich, die hoffmeisterin ein jahr junger, alß ich, undt noch eine dame von
etlich undt 50 jahr; wer solte meinen, daß die von 36 ahm ersten
fortgehen solte? … Mein dockter findt, daß, ob mich seine letzte purgation
in 6 tagen 41 mahl purgirt, ist er doch nicht damit zufrieden, [ich] muß
morgen wider schlucken, welches woll eine unahngenehme sache ist. Dieß
alles zusamen macht mich zu gritlich, umb heütte mehr zu sagen, alß wie
ich bin undt allezeit, in welchem humor ich auch sein mag, verbleibe Mons.
von Harlings wahre freündin Elisabeth Charlotte.