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Brief vom 7. August 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


129.


[197]
St. Cloud den 7. august 1721.
… Gestern besuchte ich unßern König, welcher kranck geweßen, ich war gantz verwundert, daß er mir entgegen lief, gantz lustig; er ist ahm arm undt fuß zur ader gelaßen, hat emetique genohmen, auch vorgestern noch eine andere gemeine purgation gehabt. Der pöpel ist wie narrisch auß freude, laufen truppenweiß mit tromeln undt schalmeyen undt ruffen so erschrecklich vive le Roy, daß man sein eygen wordt nicht hören kan, seindt alle voll undt doll. Man hat auch in allen kirchen das Te deum laudamus gesungen; mein sohn hat dem von Nostre dame beygewohnt. Abendts umb 8, alß ich von Paris wegfuhr, war die gantze stadt illuminirt mit feuerwerck undt ahngebrenten lampions. Wir haben auch einen krancken buben gehabt, so gottlob auch nur 3 tag kranck geweßen, nehmblich unßer Duc de Chartre.[1] Dießer bub ist sehr delicat, wills aber machen wie alle andere junge leütte hir; ich fürchte sehr, daß er sich umbs leben bringen wirdt. … Unßere liebe printzes von Wallis schreibt mir, daß baron [198] Spar[2], so nun envoyé von Schweden in Englandt ist, I. L. versichert hat, daß der gräffin historie nur zu wahr ist undt daß sie schwanger von 8 monat ist. Ihr liebhaber ist ein Schlieben; das seindt ja leütte von guttem hauß, glaube nicht, daß die schwedische gräffin beßer ist, kan also nicht [meinen], daß der bruder recht gehabt, seiner schwester dießen heüraht zu versagen, es seye dan, daß der Schlieben ebenso ein großer schelm ist alß wie der ist, so wir hir haben. Das kan ich nicht begreiffen, wie eine schwester ihren leiblichen bruder wegen eines frembten ermorden kan, es muß eine romanesque dame seyn; aber ich hab allezeit remarquirt, daß die schwedische damen es mehr sein, alß die frantzösche, aber die frantzösche seindt mehr interessirt undt desbauchirt. Vom Czaar sagt man, er wolle den schwedischen frieden nicht eingehen, des Königs in Schweden herr bruder, mein vetter printz Georgen, wolle denn seine bastardtochter, die er zu printzessin erklart, heürahten. Ich gestehe, daß mir dieße baß gar nicht gefallen solte; gott bewahre unß davor. Die gräffin Platen hat gar woll gethan, ihre avanturiere fortzuschicken. Baron Spar meint doch, daß die verwanten sie wieder ahnnehmen werden. … Gott bewahre alles ehrliche Teütschlandt vor der Moscowitter barbarey; ich förchte aber, der Czaar wirdt es nicht bey Schweden laßen. Die Schweden jammern mich, ich mögte ihnen woll den frieden [wünschen], wenns nur mein vetter, printz Jörgen nicht durch den dollen heüraht bezahlen soll. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. August 1721 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 197–198
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0129.html
Änderungsstand:
Tintenfass