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Brief vom 17. September 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


130.


[198]
St. Cloud den 17. September 1721.
Mons. von Harling. Gestern hab ich sein schreiben vom 8. dießes monts zu recht entpfangen mit seinem schreiben von Sgr. Ortence undt seinen versen, so ich übermorgen ahn Mons. Bandelot[1] geben werde. Ich bin noch schwach von meiner gehabten kranckheit, aber wenn meine kräffte wider werden gekommen sein, werde ich ihm schreiben. … Ich muß zuerst die große zeittung sagen, so wir hir haben. Vergangen Sontag kam ein Courier auß Spanien mit schreiben ahn unßern jungen König undt ahn meinen sohn. Der König in Spanien will die Infantin, seine fraw dochter, herschicken, umb hir erzogen zu werden[2]; die Duchesse de [199] Vantadour[3] solle sie erziehen undt dießen frühling abhollen. Den 31. mertz wirdt dieße kleine infantin erst 4 jahr alt werden, also wirdt unßer junger König noch 8 jahr zu warten haben, ehe I. M. ein ehemann werden soll. Es wirdt noch viel waßer unter der brücken lauffen, ehe dieße heüraht zu endt gebracht wirdt. Unterdeßen macht es doch einen gutten frieden zwischen den zwey cronen Spanien undt Franckreich, undt kan man nicht sagen, daß mein sohn in seiner regence dem König alles in unruhe, krieg undt troublen überlieffern wirdt.
Donnerstag den 18. sept. umb 6 uhr morgendts.
Ich kan woll früh aufstehen, denn woll niemandts früher schlafen geht, alß ich; gestern war ich umb ein viertel auf 9 in mein bett, aber mit recht betrübten hertzen, denn gestern bekam ich die zeittung, daß unßere arme Großhertzogin[4] gestern morgendts umb 10 verschieden ist. Es macht mich gantz trawerig, will von waß anderst reden. Weilen ich persuadirt bin, daß Mons. Harling noch immer mein gutter freündt ist, wie er von meiner jugendt ahn geweßen, so habe ich gefürcht, daß, weilen man den schlimmen gebrauch zu Paris hat, die leütte, so kranck sein, gleich todt zu sagen, dieße zeittung mögte nach Hannover kommen undt Mons. Harling erschrecken, so habe ich ihm selber geschrieben, denn femme qui escrit n’est par morte non plus que femme qui pete, wie das alte sprichwordt sagt. Es hat hart undt gar starck auf einmal bey mir ahngefangen; freytags war ich in perfecter gesundtheit, sambstag stundt ich auch noch gesundt auf, fühlte nur nachmittags waß mattigkeit in den lenden undt beinen. Es war schön undt gar sanft wetter, um halber 9 aber, alß ich nach bett ging, stieß mich ein frost ahn, so 2 stunden wehrte, darauf folgte die hitz, in welcher ich Mons. Harling geschrieben. Es ist kein wunder, daß meine handt verendert scheint, ich wurde gleich so abgematt, daß ich kaum die feder halten konte undt das haupt war mir so warm undt schwer dabey, alß wenn man mir bley drin gegoßen hette. Ich fuhr im garten, denn es war gar schön wetter, da wurde mir der kopf wieder leichter, aber das fieber wehrte noch biß Mitwochen morgendts. Montag undt Dinstag purgirte mich Mons. Teray [200] mit dem grünen safft[5] starck, das vertrieb mir das fieber; Sambstag purgirte man mich wieder; in dießen 3 mahlen bin ich 24 mahl gar starck purgirt worden. Der widerwillen vor dem eßen ist mir biß auf vorgestern geblieben, da habe ich wieder ohne desgout geßen. Nun bin ich die kranckheit quit so lang es wehren wirdt. Ich bin deßwegen in keinen sorgen, ergebe alles dem allerhogsten, mit mir zu machen waß ihm gefelt. Ich weiß, daß mein ziehl gestelt ist, also erwarte ichs undt will durch gottes gnaden mein leben so richten, daß mir alle angst vor sterben vergehen wirdt; aber hirmit genung davon. Ich dancke sehr vor Mons. Harlings wollmeinten wunsch, aber (unter unß geredt) mein leben ist nicht lustig noch ahngenehm genung, umb zu wünschen, daß es viel weiter möge gebracht werden. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. September 1721 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 198–200
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0130.html
Änderungsstand:
Tintenfass