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Brief vom 5. März 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


141.


[208]
Paris den 5. mertz 1722.
… Ich muß zuerst ein wenig von unßerer kleinen infantin sprechen, so wir verwichenen Montag hir in Paris gebracht haben. Der einzug war magnifiq, von Berny ahn biß in Paris war eine solche menge volks, wie ich mein tag lebens nicht gesehen. Den gantzen marche schicke ich Mons. Harling hirbey, ihn zu amusiren. Waß ich ahm schönsten fandt, war, daß den gantzen weg vom ersten eintritt in Paris kein leer fenster war, biß in Louvre alles mit tepichen behangen undt voller gebutzte leütte. Das machte ein recht schön spectacle; aber waß ich gar heßlich fandt, war, daß wir von Berny biß ins Louvre schritt vor schritt fuhren, also 7 gutter stundt ahnwendten ohne eßen noch drincken; das schickt sich zu keinem rauschenplattenknecht. Ich kan der kleinen infantin gedult nicht genung bewundern, denn das arme kindtgen ist 7 stundt in der kutsch geweßen ohne weinen, noch ungedultig zu werden. Es ist woll das artigste kindt von der welt undt ein recht gutt kindt; sie rief alß ahn die officir von der leibgard: Oh, ne battés pas ces peauvres gens, qui me veulent voir. Sie hat das frantzösch erst gelehrnt, seyder sie von Bordeaux weg ist; sie macht mir bang, denn kinder, so soviel verstandt haben, werden oft nicht alt; gott bewahre unß davor! …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. März 1722 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 208
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0141.html
Änderungsstand:
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