Seitenbanner

Brief vom 29. Juli 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


151.


[215]
St. Cloud den 29. Julli 1722.
Mons. von Harling. Es erfreüet mich, daß er nicht mehr von seinem husten undt schnupen spricht, das macht mich hoffen, daß er gantz vorbey sein wirdt. Von meiner gesundtheit kan ich wenig guts sagen; ich curire gantz undt gar nicht; ich bin schwächer alß nie, habe keinen appetit, habe alß einen gutten undt bößen tag, schlepe mich doch überall herumb wie ordinarie, denn ein rauschenplattenknecht kan nicht in seiner cammer bleiben. Ich thue waß mein dockter will, umb nicht geplagt zu werden, undt erwarte von der handt gottes des allmächtigen alles waß er mit mir vorhaben mag, habe mich gantz in seinen willen ergeben. Biß sontag undt montag wirdt man mich wieder den grünen safft[1] schlucken [laßen]; ich kan nicht glauben, daß mir dießes mehr kräffte zuwege bringen wirdt. Aber hirmit genung von dießer langweilligen sach. Wir haben gar nichts artiges neües hir, man hört von nichts alß hencken undt rädern, es sollen noch mehr alß taußendt schelmen vorhanden sein. Vor wenig tagen haben sie etwaß abscheüliches ahngestelt: seindt umb 4 morgendts in die kirch von Nostredame zu Paris gangen, haben ihre nohtturft auf dem tabernakel, auf dem altar undt in allen ecken verrricht undt einen zettel dabey gelegt, worauf gestanden: Si on ne cesse de pendre et de rouer, comme on a fait jusques à present, Paris sera dans peu brulé et pillé. Man hat in einem keller pulver undt viel fagots gefunden, womit sie Paris haben ahnzünden wollen. Gott der allmächtige hat es bißher verwehrt. … Vom herrn von Bernstorf[2] weiß ich mehr, alß er vielleicht selber glaubt; die arme Hertzogin von Mecklenburg[3] seel. hat mir offt von ihm gesprochen; mehr will ich [216] nicht sprechen, ich mögte sonst zu viel sagen, will von waß anders sprechen. Unßer junger König[4] hat gar nichts von seinem uhraltherrvatter[5], gleicht aber Mad. la Dauphine, seiner seel. fraw mutter[6], wie zwey tropfen waßer, ist aber viel schöner, alß sie war, hat einen hübschern mundt, schönere farben undt die zahn beßer gewacksen. Wenn der alte Marschalck, sein hoffmeister[7] nicht bey ihm ist, spricht er recht lustig undt artig, sobaldt aber der hoffmeister [bey ihm ist], wirdt er stumm, man kan kein wordt mehr auß ihm krigen. Ich glaub, man wirdt schon in Teütschland wißen, daß die Türcken vor die insel von Malte sein undt selbige belagern wollen; weilen sie aber nur 8 tausend mann hingeschickt undt sich 12 tausend in der stadt befinden, hofft man, daß sie wieder werden abziehen müßen. Nun habe ich alles geplaudert, waß ich weiß, kan also vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich bin undt bleibe seine wahre freündin.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. Juli 1722 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 215–216
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0151.html
Änderungsstand:
Tintenfass