[040]
Paris den 16. april 1716.
Herr von Leibnitz. Daß ich so lang geweßen ohne Ihm
zu schreiben, daran ist I. L. die printzes von wallis schuldt,
den seyden unßer commerse ahngangen, thun mir I. L. die
Ehre undt schreiben mir alle posten undt gar Lange briffe
von 8 oder 9 bogen, die geringsten seindt von 5 undt 6
bogen auff allen seytten, dießes mitt noch den andern brieffen
so Ich zu schreiben habe, alß 3 mahl die woch ahn mein
dochter undt alle Montag ahn die Königinnen von sicillen
undt die verwitibte von spanien undt nach modene; wen
den Ein opera oder spatziren fahren dazwischen kompt, so
kan ich ohnmöglich schreiben, welches mir leydt ist, den Ich
kan Monsr Leibnitz mitt wahrit [sic!] versichern, daß sein
comers mitt schreiben mir sehr ahngenehm ist. Ich bin Ihm
sehr verobligirt, sich so sehr vor Meinen sohn zu
interessiren, welches woll ist waß mir ahm meisten ahm hertzen
ligt. Er hatt mich seyder Eine Zeit her Einen Großen
schrecken Eingejagt, den Er hatt sich Im balhauß mitt Einer
raquet Einen solchen schlag auff daß lincke aug geben, daß
Er Es schir verlohren hette
[1], den Im ahnfange hatt Er
sich gar nicht schonnen wollen, da ist daß aug so schlim
[041]
worden, daß Es schir gar zu schanden gangen; seyder dem Er
aber gesehen, daß die sach so Ernstlich geworden, hatt Er sich
Endtlich resolvirt, deß dockters raht zu folgen undt sich
beßer zu schonnen In alles so dagegen sein mag. Nun haben
wir hoffnung, daß Er couriren wirdt; In dießem stück hatt
mein sohn die probe seiner weißheit nicht geben. Ich habe
Ihm In lachen gesagt, Ich glaube, Er fürchte, mich zu alt
zu machen, mir Einen sohn zu weißen, der alle zeit klug ist,
undt umb mich zu verjungern, weist Er mir Einen sohn,
welcher durch possen, so der großen jugendt allein zu kommen,
weist, daß Ich Noch Ein Kindt zum sohn habe. Er hatt Es
doch nicht übel genohmen undt gestanden, daß Er unrecht
hette. Wen er sein deslassement desprit In Künsten suchen
wolte undt lieber der Gelehrten Mäntel alß der Damen
nachtröck sehen wolte, glaube Ich, daß alles beßer gehen solte;
jedoch Muß Ich Ihm dießes lob geben: Er arbeyt so viel
alß möglich ist, seine regirung In gutten standt zu setzen;
biß dahin glaube Ich nicht, daß Mein sohn Zeit wirdt haben,
viel von Künsten zu examiniren können, noch sich seines
brenglaß bedinnen, den Es ist abscheulich, wie wie [sic!] Er
taglich mitt affairen geplagt ist. Ich kan nicht begreiffen,
wie Er Es ausstehen kan; Es Muß sein wie daß frantzösche
sprichwort sagt: a brebis tondu, Dieu Luy messure le
vend.
[2] Gott gebe Einen gutten undt glücklichen Türcken
Krieg undt daß unßer König In Engellandt allezeit gutte
Nachbarschafft halten möge. Man hatt Eine Zeitlang hir
gemeint, daß der Czaar Ins warme baadt nach Bourbon
kommen würde; Ich hatte mich drauff gefreuet, aber Nun ist
Es gantz still davon. Den Konig von Engellandt halt Ich
Nun ruhig, Ich zweyffle, daß Ihm daß parlement Erlauben
wirdt, nach pirmont zu reißen. Der hießige envoye vom
Keyßer, der Hr. benterritter
[3], hatt noch keine Zeittung,
daß die Keyßerin Nieder kommen seye, also wirdt Ire fraw
Mutter noch zu recht kommen können umb bey der
Entbindung zu sein. Die Hertzogen von mecklenburg haben doch
schlimme gewöhnheitten, zwey lebendige gemahlinnen zu haben;
mich deucht, das Es Einem so großen Herrn, wie der Czaar
[042]
ist, nicht zukommen kan, seine leibliche bruders dochter Einem
Herrn zu geben, da der Heüraht zweyffelhafftig sein kan.
[4]
Man hatt schon offendtlich hir gesagt, daß Hertzog von sachsen
Zeitz catholisch geworden sey.
[5] Hette mein sohn, ahn
statt Inn bal vom opera zu gehen, die herkunfft der Francken
geleßen, würde sein aug nicht so schlim geworden sein; Ich
weiß nicht, ob Er Es geleßen hatt oder nicht, den Ich sehe
Ihn nicht alle tag undt dazu keine halbe stundt ihn Einem
stück, kan also wenig mitt Ihm sprechen; Er hatt seine überige
stunden zwischen Mutter, fraw undt dochter zu theillen undt
Er ist Naturlich lieber bey Jungen weibern, alß bey alten zu
sein, Derowegen sehe Ich Ihn ahm wenigsten, aber waß der
Herr von Leibnitz schreibt, ist allezeit so woll geschrieben undt
ahngenehm zu leßen, daß Ich nicht zweyffle, daß Er Ein
stündtgen wirdt genohmen haben, umb Es zu leßen. Ich
zweyffle nicht daß Er von den phenomenen wirdt gehört
haben, so Man Erst In Englandt undt seyder sieben tagen
Im observatoire observirt hatt. Ich schicke hirbey die
beschreibung, so Mir Monsr Cassini
[6] vergangenen Montag
gebracht undt sage hiemitt nichts mehrers alß daß Ich
allezeit Herr von Leibnitz gutte Freundin bin undt bleibe.