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Brief vom 5. November 1716

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Gottfried Wilhelm von Leibniz


11.


[053]
St. Clou den 5 Nov. 1716.
Herr Baron von Leibnitz. Vor Etlichen tagen habe Ich sein schreiben vom 19. Octob. zu recht Entpfangen. Wen der Herr wüste, wie viel verdrißliche Verhindernuß Ich gehabt habe, würde Er sich nicht verwundern, daß ich so selten schreibe; Ich kan mich Nie resolviren, Ihm durch meinen secretarius zu schreiben laßen; Ich habe keinen teutschen, undt den frantzöschen müste ich Ein langes Verzehlen, umb Ihn meine intention zu begreiffen machen, den hir, deucht mir, begreifft man nicht, daß man die auch estimirt, die so man lieb hatt Estimiren, sonsten würde Er all lengst Eine frantzösche andtwort bekommen haben; ahn Mons. Raimont habe ich durch den abbé de St. pierre geschickt, waß In sein paquet vor Ihm gefunden. Dießer hatt mir sagen laßen, daß Es Nur Eine andtwort auff seinen brieff wer, abbé de St. pierre aber schickt hirbey Ein paquet. Abbé du bois hatt mir von hannover geschrieben, aber In Englandt ist man nicht persuadirt, daß Er so viel part ahn die große [sic!] hatt alß Mons, de berville. So viel ich dießen abbt kenne, würde man Ihm kein verdruß gethan haben, sein incognito zu stören; dießer abt hatt verstandt, daß kan man Ihm nicht benehmen, aber Es ist mir hertzlig leydt, daß mein sohn vertrawen auff Ihn setzt, den unter unß gerett: gott würde mir undt viel Ehrlichen leutten Eine große gnade gethan haben, wen Er all sein leben incognito vom hoff geblieben were.[1] Mein sohn ist nicht persuadirt, daß abbé de St. Pierres ahnschlege gerahten könten; Ich habe sein buch nicht geleßen, solche hohe texten seindt meinem schwachen hirn zu hoch. Dießer abbé hatt In allen seinen reißen daß böße wetter nicht zu fürchten noch sich übel auff der see zu finden. Jachtssachen verstehe ich beßer, alß die politic, den Es ist lang mein handtwerck geweßen. Bißher haben wir noch schön undt sanfft wetter. Mons. viereck, preussischer envoye hir, sagt, Es seye noch nicht sicher, daß sein König nach der göhr [reisen] werde. Wen ich die gründtliche warheit sagen [054] solle, so schmertzt mich, wen ich gedencke, daß die alte Hertzogin von hannover[2] noch Im leben ist undt Meine lieb tante, die Churfürstin von Hannover, nicht mehr vorhanden. Es ist doch Ein zeichen von der Königin In preussen guttes gemüht, daß sie Eine groß Mutter hatt sehen wollen, die I. M., wen Ich sagen darff, so gar wenig Ehre ahnthut auff alle weiß undt weg. Seyder wan Ist schullenberg graff? Ich gönne es Ihn von hertzen; Ich kenne In woll; wenn Er bey meinem sohn stünde, würden gewiß alle frantzösche unterthanen glücklich sein, aber man hatt Ihm alle sagen[3] In gar zu Einem Ellenden standt gelaßen. Den Conte de Brandenburg kenne Ich nicht, Ich habe gehört, daß die Königin In spanien die verwitibte Einen schlimen mörgen [sic!] solle zum beichtvatter gehabt haben, allein Ich habe alß gemeint, daß Es Ein spanier wehre. Man vordert meine brieff, mein schreiben Muß noch nach paris, Muß wider willen Enden undt nichts mehr sagen alß daß ich deß Herrn Barons seine gutte freundin verbleibe.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. November 1716 von Elisabeth Charlotte an Gottfried W. v. Leibniz
in: Briefwechsel zwischen Leibniz …, Hrsg. E. Bodemann (1884), S. 53–54
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d11b0011.html
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Tintenfass