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Brief vom 4. März 1697

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


47.


[078]
Paris den 4 Mertz 1697.
Hertzliebe Louisse, vor zwey tagen habe ich Ewern brieff vom 2 Februar st. v. zu recht entpfangen, andern tags aber eine zeitung erfahren, so mir woll von grundt meiner seelen leydt ist, nehmblich daß der gutte ehrliche he. Max endtlich gestorben ist, undt weillen ich nicht zweyffle, daß dießer todt Eüch undt Amelisse auch sehr zu hertzen gehen wirdt, alß versichere ich Eüch beyden hiemitt, wie sehr ich Eüch hirüber beklage. Es scheinet, alß wen Ihr schir nicht aufhören köntet, die zu verliehren, so Eüch lieb undt ahngenehm sein. Wen daß unglück einem einmahl überfelt, kletterts ahn wie kletten, man wirdts nimmer loß; deßen habe ich auch leyder nur zu lange probe gethan, kan also diejenigen desto mehr betawern, so ich im selben standt sehe; weillen aber lenger hirauff zu morallisiren weder Eüch zum trost dinnen kan noch leyder nichts endern, so will ich weitter nichts hirvon sagen, sondern nur auff Ewern brieff antwortten. Dießen werde ich Eüch [079] durch monsr Amirault schicken, Eüch aber vorher noch bitten, madle de Malauze meinetwegen freündtlich zu grüßen undt Ihr zu sagen, daß ihre stecknadellen einmahl ahnkommen sein. Ich habe aber den zettel nicht dabey gefunden, waß sie kosten; bitte also, sie wollen mir solches zu wißen thun, damitt ich es mitt danck bezahlen möge. Alles ist woll abscheulich schelmisch hir im landt undt alles stielt; auff der doane haben sie mir die helfft von den stecknadellen gestollen, haben jedes papier halb abgerißen, es ist recht possirlich zu sehen. Carolline s. paquet habe ich noch nicht entpfangen; den monsr Amyrault hatt es nicht schicken können, so lang alles gefroren geweßen. Ob ich schon dießen monsr Amyraut nicht kene, so halte ich doch viel auff ihn wegen seiner großen exactitude undt fleiß; er muß ein ehrlicher man sein. Ihr habt woll recht, liebe Louisse, zu sagen, daß es etwaß rares ist, jemandes zu finden in dießen zeitten, so nicht interessirt ist. Es ist noch viel rarer in Franckreich, alß in keinem ort von der welt; den wie sehr l’interest hir regirt, ist nicht außzusprechen, aber es ist der Frantzoßen naturel; der krieg hatt sie gar nicht hirin verdorben. Es ist jetzt 11 tag, daß wir wider hir sein; kan mich also gar nicht berühmen, gesundt zu sein; heütte ist es etwaß abscheüliches, wie ich huste; dran sterben werde ich woll nicht, aber man leydt viel ungemach dabey. Morgen werden wir, gott lob, wider weg undt nach Marly, wo mir die lufft gar gesundt ist, hoffe also, baldt beßer zu werden. Betterthel kan man hir nicht drincken; man hatt gar zu schlegt bier in Franckreich, es ist schlap undt so sewer, daß mans nicht drincken kan; den vor dießem habe ichs versuchen wollen. Ich erinerte mich noch gar woll, wie ich es zu Heydelberg getruncken hatte, aber, wie schon gesagt, es lest sich hir nicht trincken; zudem so ist mein husten kein rechter husten, sondern nur eine gesaltzene pituitte, so mir hir continuirlich vom haubt in den halß felt undt so husten macht. Man meint hir, daß die viellen caminen schuldig dran sein undt daß der rauch die lufft dick undt versaltzen macht. Hatt der duc de Schomberg den kein hauß auffs landt, da Ihr Eüch auffhalten könt, weillen Eüch die lufft von Londen zuwider ist? Habt acht, daß es Eüch keine impression macht, wie die arme Caroline s.! Worumb sagt Ihr: mitt respect den schnupen? den nent man ja überall ohne façon, wie auch alle kranckheiten außer den durchlauff. Der schnupen, hoffe [080] ich, wirdt Eüch daß haupt reinigen undt alles böße wegführen, wünsche es allezeit. Wie ich sehe, so hatt madle Pressenville gar recht gesprochen, der arme adel wirdt gar übel hir in Franckreich gehalten; es jammert mich offt. Ihr sagt nicht, an welcher kranckheit Ewer kleiner neuveu gestorben ist. Die pfaffen können nie ohne zanck bleiben; haben sie nicht gegen andere religionen zu streitten, so disputtiren sie unter einander, wie ich alle tage hir sehe. Ich halte es mitt dem, waß der gutte ehrliche oberster Webenheim mir alß pflegt zu sagen: Es ist nur eine gutte undt rechte religion in der welt undt die kan sich in allerhandt religionen undt sprachen finden, nehmblich die von den ehrlichen leütten; den die seindt überall einer meinung undt weillen man nicht durchauß ehrlich leben kan, man lebe dan nach den precepten von evangellion, also ist daß gar gewiß die rechte religion; aber daß heüfflein darvon ist gar klein. Ich bin gantz persuadirt, daß mein tochter ein alt jungfergen bleiben wirdt, nach aller aparentz; Ewer könig wirdt woll die princes von Denemarck bekomen, der romische könig, bilde ich mir ein, die zweyte princes von Savoyen, der hertzog von Lotheringen, deß keyßers dochter, also ist nichts mehr überig vor die meine. Die plenipotentiere seindt nun weg nach Hollandt. Waß sie außrichten werden, wirdt sich baldt weißen. Ich glaube nicht, daß mehr ein mensch in der welt kan gefunden [werden], so nicht eine große estime vor könig Wilhelm hatt; ich vor mein theil habe nie verhehlt, daß ich ihn estimire. Ich wünsche sehr, daß Carl Moritz je mehr undt mehr avanciren möge. Die reflection, so ihr über Ewer bruder gemacht, haben ma tante undt ich auch woll schon gar offt gethan. Es were mir woll ein rechter trost geweßen, wen der allmächtige mir undt unß allen unßern lieben Carllutz hette leben laßen. Carl Edewart habe ich weniger geliebet, weillen er nie kein vertrawen hatt zu mir haben wollen, haben die wortten so zu sagen mitt gewalt außpreßen müßen, wen ich mitt ihm gesprochen. Carllutz war woll nicht so, sondern hatt alß mitt lust undt recht offenhertzig mitt mir gelebt, regrettire ihn auch all mein leben, kan nicht ohne threnen von im reden. Die andere zwey habe ich mein leben nicht gesehen; aber sehr loben hören. Wen Ihr ahn herr Ferdinand schreibt, bitte ich, ihn doch von meinetwegen zu grüßen undt ihm von meinetwegen daß leydt zu klagen über den verlust von herr Max, wie auch ahn seine [081] schwestern. Amelisse ambrassire ich undt behalte Eüch beyden von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. März 1697 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 78–81
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0047.html
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