Seitenbanner

Brief vom 15. Mai 1697

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


49.


[083]

A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a London.

St Clou den 15 May 1697.
Hertzliebe Louisse, vor 8 tagen habe ich zwey von Ewern lieben brieffen auff einmahl entpfangen, vom 6 April st. v. undt vom 16/26 Mertz. Ich hette gern eher geantwortet, ist mir aber durchauß ohnmöglich gefahlen; den ich entpfing Ewere schreiben eben, wie wir in kutzh steygen wolten, umb herzufahren. Wie ich herkamme, ware meine schreibkist nicht ahnkommen, kamme so spät, daß ich nicht schreiben konte. Donnerstags war es mein schreibtag nach Hannover, wo ich so lange brieffe hin schreibe, daß ich hernach zu müde bin, weitter zu schreiben. Freitag fuhre ich ins port royal, bliebe aber nicht lang dortten; den Monsieur, so im palais royal, hatte mir rendevous ins opera geben, fuhren auch erst dort weg, wie es zum endt war, kammen umb halb 10 erst wider her. Sambstag fuhr ich umb 8 morgendts hir weg, 5 meil von hir den wolff zu jagen, kamme erst umb 5 wider; umb 6 aß ich zu nacht und fuhr hernach mitt Monsieur spatziren. Sontags wars wider die post von Hannover undt muste auch in kirch, montags war die post von Savoyen undt kammen viel leütte zu mir, unter andern die [084] großhertzogin von Florentz, daß hinterte mich wider; abendts bekammen wir zeittung, daß meines sohns tochtergen auff den todt lege, seindt also gestern nach Paris undt den gantzen tag dort geweßen. Monsieur hatt ihr von den englischen tropffen geben laßen, seyderdem ist sie ein wenig wider beßer. Ich zweyffle noch, daß sie davon kommen kan; den daß arme kint ist in einem gar ellenden standt, man hatt sie zu frühe endtwendt. Auß alles, waß ich Eüch hir verzehle, segt Ihr woll, liebe Louisse, daß ich Eüch ohnmöglich eher, alß heütte, habe antwortten können; fange jetzt bey dem frischsten von Ewern brieffen ahn. Ich wolt, daß Ihr mir ein wenig einen weittern bericht gethan hettet von der ceremoni, so Ihr zu Windsor gesehen; den solche Sachen, so indifferent sein, helffen mir hir trefflich zur conversation, da ich offt große mühe habe, waß hervor zu sappeln. Man hatt woll recht, daß man sagt, daß man vor nichts schweren solle, alß nahßen abbeyßen undt ellenbogen küßen; den wer hette woll jemallen gedencken können, daß ich Eüch auß Franckreich undt Ihr mir auß Engellandt schreiben würdet? Freyllich geht es wunderlich in der welt her. Ich weiß nicht, ob Ihr Eüch noch der jungfer Colbin erinert, so meine hoffmeisterin war; die pflegte alß zu sagen: Es geht nirgendts wunderlicher her, alß in der welt undt hierin hatte sie groß recht. Ich bin fro, liebe Louisse, daß mein warhafftes mittleyden über den verlust deß gutten ehrlichen herrn Max Eüch zu einigem trost gedint hatt. Ich kan nicht begreiffen, wie es leütte finden kan, so ihre gutte freünde nicht lieb behalten; den ich kan nie endern; wen ich einmahl freünd bin, ist es vor mein leben, es seye dan, daß man gantz undt gar gegen mir endere. Madle de Romy ist eben nicht abgeschmackt, aber sie ist falsch; daß ist ärger, alß abgeschmackt. Madle de Malauze die ist auffrichtiger undt auch tugendthaffter, habe also allezeit mehr estime vor sie gehabt, alß vor ihre baß. Umb gottes willen, liebe Louisse, sagt mir doch nie, daß Ihr fürcht, mir mitt Ewern brieffen beschwehrlich zu fallen! Den daß seindt complimenten, die mir unleydtlich sein. Ihr wist ja woll, daß ich gantz naturlich bin. Wehren mir Ewere brieffe nicht ahngenehm, so würde ich ja nicht sagen, daß sie mirs sein, würde auch nicht exact drauff antwortten, wie ich thue. Schreibt man dan nur ahn seine gutte freünde undt verwandten, umb etwaß artiges undt lustiges daher zu machen? Ich meine, es seye viel mehr, [085] umb zu erweißen, daß man fleysig ahn sie denckt, undt daß weillen man nicht mündtlich mitt ihnen reden kan, so erweist man doch den willen, sein vertrawen zu volführen, indem man auffs papir setzt, waß der mundt nicht sagen kan; alßo ist man lustig, maßen die brieffe lustig sein, ist man trawerig, deßgleichen, damitt unßere freünde part nehmen können in alles, waß unß betrifft. Weil Ihr wißen soltet, wie alles hir ist, solte es Eüch gar kein wunder nehmen, daß ich nicht mehr lustig bin. Ein andere in meinem platz, so nicht so auß dem grundt lustig geweßen were, würde vielleicht vor kummer lengst gestorben sein; ich aber werde nur dick undt fett darvon. Es ist nicht ohn, daß, wen ich daß glück hette, bey ma tante zu sein, so glaube ich, daß ich noch etlich mahl recht lustig würde sein können; aber hirzu sehe ich leyder gar keine möglichkeit. Hir habe ich wenig comerce, lebe gantz apart wie ein reichstättel, kan nicht sagen, daß ich über 4 freündinen in gantz Franckreich habe. Ma tante von Tarante hatte ich zwar sehr lieb, aber nichts in der welt geht mir über ma tante, die churfürstin. Oncle ist leyder noch nicht so woll, alß ich es wünschen mögte, undt so lang der schwindel wehrt, wer[d]e ich nicht recht in ruhen vor I. L. gesundtheit sein. Diß compliment der entschuldigung, liebe Louisse, daß Ewer brieff confus geschrieben, war woll ohnnöhtig; den er war gar woll geschrieben undt aprobire alles, außer die überflüßige complimenten; damitt, bitte ich, verschondt meiner! den ich kan sie nicht vertragen; wen sie offt kammen, würde es mir den schwindel geben wie oncle hatt. Amelisse undt den duc de Schonberg bitte ich vor ihr ahndencken zu dancken undt sie wider gar freündtlich von meinetwegen zu grüßen. Hirmitt ist Ewer letztes schreiben durchauß beantwort. Ich komme jetzt auff daß erste. Vom gutten ehrlichen herr Max will ich nichts mehr sagen, umb Eweren schmertzen nicht zu verneüern. Alle Ewere gedult im unglück ist sehr tugendtsam undt loblich, aber schwer zu imittiren, liebe Louisse! Wolte gott, ich wüste waß, so Eüch trosten könte, zu sagen! Allein ich weiß nichts anderst, alß part zu nehmen in alles, so Eüch betrifft. Vor alle gutte wünsche, so Ihr mir thut, sage ich großen danck, liebe Louisse! Wen wünschen waß helffen könte, würdet Ihr undt Ewere geschwisterig glücklicher sein; den daran laß ich es nicht fehlen. Madle de Malose muß sich wegen der stecknadlen nicht chagriniren; den waß [086] kan sie davor, waß man zu Paris auff der doane thut? Ich hoffe, sie wirdt mir schreiben, waß sie gekost haben, wen sie mir die goutte d’Engleterre schicken wirdt, worumb ich sie bitte. Ich weiß nun, wo monsr Amyrauds stecknadelen hinkommen. Ich werde sie baldt haben, ohne daß sie auff die doane gehen; werde Eüch alßdan berichten, wie sie überkommen werden sein. Meine gesundt[heit] ist nun nur gar zu perfect; ich werde so dick wie ein kügelreütter undt gar keine menschliche figur schir mehr. Alleweill lest mich Monsieur hollen, umb spatziren zu fahren; kan also ohnmoglich dießen brieff so vollig wie den ersten beantworten, diß nur noch in eyll sagen, daß waß Ihr mir von armen Carl Edewart s. geschrieben, mich dermaßen vor ihn attandrirt undt gejamert hatt, daß mir die threnen drüber in den augen kommen sein. Ahn Carllutz darff ich nicht dencken; den deßen todt habe ich noch nicht verschmertz[t]. Adieu! Man treibt mich, umb zu schließen; kan mein brieff nicht überleßen. Entschuldiget die fehler, liebe Louisse, undt glaubt, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte!
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. Mai 1697 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 83–86
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0049.html
Änderungsstand:
Tintenfass