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A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.
St Clou den 16 April 1699.
Hertzliebe Amelisse, ich entpfange jetzt eben Ewer lieben
brieff vom
7/
28 April undt damitt es mir nicht gehen möge, wie
schon zu unterschiedenen mahlen geschehen, wen ich ein wenig
mitt schreiben auffgehalten, daß ich hernach nicht wider dazu habe
gelangen können, so will ich hirmitt gleich wider antwortten. Es
ist schon ein gantzer mont, daß ich wider von Paris weg bin, aber
die letzte reiße bin ich eben nicht so gar kranck dortten geweßen,
alß ordinarie, undt seyder eine zeit her bin ich, gott sey danck, in
gar volkommener gesundtheit. Wolte gott, ma tante, die fraw
churfürstin zu Braunsweig, were so gesundt alß ich! Sie ist es aber
leyder nicht, wie Ihr auß meinem brieff werdet ersehen haben, so
ich vergangenen dinstag ahn Louisse geschrieben habe. Es verlangt
mich woll von hertzen auff morgen, daß die post von Hannover
ahnkommen solle. Biß sambstag werde ich nach Paris, ein tag 12
dort zu bleiben. Seyder 14 tagen kan man sich deß schönnen
frühlingswetter hir gar nicht berühmen; den es frirt stärcker undt
ist viel kälter, alß es im januwari war, undt solche scharffe
durchdringende winde, das man sich nicht zu behelffen weiß. Große
stette liebe ich nicht, bin viel lieber auffm landt, beklage Eüch
also sehr, liebe Amelisse, wen Ihr meinen sin hirin habt, daß Ihr
gezwungen seydt, in der statt zu bleiben; bin doch fro vor Eüch
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undt Louisse, daß Ihr wider geselschafft habt. Ihr undt Louisse
thut mir einen rechten gefahlen, fleißig zu schreiben. Es wundert
mich, daß Carl Moritz noch nicht wider zu Franckfort ist; den er
ist doch all lengst wider von Strasburg weg. Ich hette wünschen
mögen, daß ihm eine lust ahnkommen were, einen randt
herzuthun; dazu bedarff keine ahnstalt nicht; den man weiß woll, wen
man die post reidt, daß man nicht viel mittnehmen kan. Lenor ist
charmirt von seinem verstandt undt woll reden, sagt auch, das er
woll gekleydt seye, hette also gar woll kommen können. Es ist
kein wunder, daß unßer printz von Birckenfelt die blattern
bekommen hatt; die junge leütte, wen sie zu Paris sein, erhitzen sich
sehr undt schlaffen wenig. Es nimbt mich sehr wunder, daß der
margraff von Ahnspach die churprintzes von Brandenburg bekompt;
den ich hatte gehört, daß selbige meinen vettern, den elsten printzen
von Cassel, haben würde. Daß der margraff mademoiselle
d’Armagnac nicht gewolt hatt, daß kan ich nicht übel finden; allein er hette
woll einen hohern heüraht thun können hir, alß obgedachte
d’Armagnac, undt zweyffle, daß er mitt der churprintzeß von
Brandenbourg bekommen wirdt, waß er mitt dießer hette haben können;
denn ich glaube nicht, daß ihm der churfürst 8 mahl 100 tausend
francken geben wirdt. Heüraht seindt wie der todt, stundt undt zeit
ist dazu bestimbt; daß kan man nicht entgehen; wie es von
unßerm herrgott verhengt ist, so muß es geschehen. Außer ahn Ewer
geschwister sagt ahn niemandes, waß ich Eüch vom margraffen von
Anspach geschrieben habe! Dießer margraff hatt sich hir überall
beliebt gemacht undt eine große despence gethan. Es ist gar ein
schönner herr. Viel seindt hinter ihm her geweßen undt hetten ihn
gern desbauchiren wollen, aber er hats recht artig gemacht; er hatt
ihnen blat herauß gesagt, diß laster were seine sache nicht undt
hette einen solchen abscheüen darvor, daß er nicht davon wolle
reden hören, hatt sich bey allen ehrlichen leütten ein groß lob
dadurch zuwegen gebracht. Ihr thut Ewerem brieff groß unrecht, ihn
vor alber zu schelten; den er ist es gar nicht. Ihr werdt mir einen
gefahlen thun, mir daß neüe buch zu schicken (die allgemeine
schaubüne der welt) undt dabey zu setzen, waß es kost; werde es Eüch
mitt danck bezahlen. Adieu, liebe Amelisse! Ich ambrassire Eüch
von hertzen undt behalte Eüch allezeit sehr lieb.
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