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Brief vom 28. Mai 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


84.


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A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort

St Clou den 28 May 1699.
Hertzliebe Amelisse, gestern abendts habe ich Ewern lieben brieff vom 9/19 dießes monts zu recht erhalten. Meine regullaritet im schreiben ist kein danckens wehrt, thue hierin nichts, alß waß billig ist. Ich lebe hir, gott lob, in gar volkommener gesundtheit, lufft undt waßer bekommen mir woll hir undt allezeit übel zu Paris. Die jungen graffen von Nassau Weillburg haben mir versprochen, daß sie Eüch berichten wollen, wie es hir zu St Clou ist; den ich habe sie überall herumb gezodelt undt daß gantze hauß gewießen. In dießer jahrszeit, deücht mir, ist es viel beßer auff dem landt, alß in der stadt zu sein, aber nur vor ein par stunden hinzufahren, ist nicht genung. Daß schönne teütsche compliment (daß man einem zu einer kalten milch ladt undt waß der löffel noch mehres geben wirdt) muß erfunden sein worden, seyder ich auß Teütschlandt weg bin; den zu meiner zeit habe ich es nie gehört. Ihr seydt woll glücklich, noch lachen zu können; mir ist es gantz vergangen, ob ich zwar vor dießem mehr alß jemandts gelacht habe. Wer daß lachen vertreiben will, mag sich nur in Franckreich heürahten, es wirdt einem baldt genung vergehen. Die fraw von Schelm muß sehr verendert sein; den wie sie noch gantz jung war, ware sie bey weittem nicht so poßirlich alß ihre schwester Lenor; nun aber wie ich sehe auß waß Ihr undt Louisse mir von ihr sagt, muß sie auff den schlag geworden sein. Wen ihr bruder, der Eberfritz, nicht so brutal were, so were er ein feiner mensch. Der Augustin, so nun woll der oberstleüttenant ist, hatt allezeit einen sanfftern humor gehabt. Lenor hatt mir doch geschrieben, daß ihr elster bruder sehr verendert seye undt nicht mehr so emportirt wie vor dießem. Ich halte viel auff sie alle, weill sie noch von unßerm hoff sein; bitte, grüst beyde brüder von meinetwegen undt die Gret undt ihren man auch! Ihr habt woll recht, zu sagen, liebe Amelisse, daß man mitt seiner negsten schwachheitten gedult haben muß, wen nur der grundt gutt ist undt rechtschaffen sein. Es ist nur zu war, daß niemandes in dießer welt ohne fehl [147] ist. Wie mir die graffen von Nassau Carl Moritz beschreiben, so ist er viel kleiner, alß ich, undt kan doch nicht mehr wacksen; den er ist ja nun woll 29 jahr alt. Ich glaube, daß er so klein blieben, weillen er so eine alte seügamme geseügt hatt; ich erinere mich ihrer noch woll, sie hatte keine zän mehr im maul. Ich bilde mir ein, daß seine commedie possirlich sein wirdt. Ihr seydt recht lobenswerdt, liebe Louisse, raillerie zu verstehen; hir im lande lacht man die leütte braff auß, man raillirt aber selten. Ich habe I. G. den churfürsten offt daß sprichwort sagen hören, so Ihr Eüch noch erinert; I. G. sagte, er hette es in einem alten stambuch gefunden. Alle die, so Eüch undt Louissen kenen, bezeügen, daß Ihr I. G. lehren woll behalten undt auch praticirt. Ihr seydt gar zu obligent, liebe Amelisse, zu glauben, daß Ihr betrübter sein würdet, wen Ihr mich mehr gekendt hettet, ehe ich von hauß weg bin; so hatte ichs aber nicht gemeint, wie ich Eüch gesagt habe, daß Ihr glücklich seit, Eüch der zeitten nicht recht zu erinern können, indem dießes ein zeichen ist, daß Ihr 11 oder 12 gutter jahr jünger seydt, alß ich; den das alter ist eine verdrießliche sache undt es geht mir wie mutter Anecken im possenspiel, daß liebe alter kompt mir mitt manche gebrechen ahn. Ihr müst ein gutt gedachtnuß haben, Eüch noch zu erinern können, wie ich Eüch ins closter Neüburg geführt habe. Ich thate es gare ungern, I. G. der churfürst, unßer herr vatter, wolte es aber durchauß haben. Ich sehe auß Ewern brieffen, daß Eüch nun vivacitet kommen ist; daß hattet Ihr nicht in Ewerer kindtheit, müst also viel zu Ewer avantage verendert sein. Ich muß Eüch gestehen, daß ich recht verwundert geweßen, alß Ihr mir daß erste mahl geschrieben, zu sehen, daß Ihr so einen coulanten undt gutten stiehl schreibt, dachte gleich in meinem sin: Amelis muß mitt den jahren viel zugenohmen haben undt verständiger worden sein. Ich sage Eüch hir gantz natürlich meine meinung, undt anderst, alß ich eine sach gedencke, kan ich nicht reden. In dießem augenblick rufft man mir; den monsieur le Dauphin kompt ahn, muß also schließen undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen ambrassire undt gar lieb habe.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Mai 1699 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 146–148
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0084.html
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