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Brief vom 12. Juni 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


86.


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A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Port royal den 12 Juni.
Hertzliebe Amelisse, gestern abendts habe ich Eweren lieben brieff vom 23 May – 2 Juni zu recht entpfangen, undt ob es zwar schrecklich heiß heütte ist undt noch kein stundt, daß ich von St Clou hir ahnkommen bin, so werde ich Eüch doch gleich andtwortten. Wie ich sehe, so kommen meine schreiben viel geschwinder über, alß die Ewerigen; den nach meiner rechnung so müst Ihr meinen brieff vom 19 donnerstag den 28 entpfangen haben, also just den 9 tag unterwegens geweßen. Ich glaube, die greüliche hitze macht mich extravagiren; den ich habe nicht betracht, daß Ewer liebes schreiben vom 2 Juni auch ist undt nicht allein vom 23 May, also eben so woll in 9 tagen überkommen ist alß das meinige. Alles ist verhengnuß in dießer welt, also kein wunder, daß es nicht einem geht, wie dem andern. Ich muß aber lachen, daß Ihr die fortune so delicat außsprecht undt nur fordune heist; wen dieße fordune dan Eüch nur in andern sachen favorabel ist, werdt Ihr Eüch woll endtlich getrösten können, daß Ewere brieffe übeller, alß Louisse ihrer, bestehlt werden. Ich glaube, liebe Amellisse, daß Ihr versuchen wolt, ob ich noch filtzen kan, daß Ihr mir so was abgeschmacktes dahersagt, nehmblich daß Ewere brieffe mir zu offt kommen undt daß sie mich importuniren; den wen die, so ich lieb habe, mir mitt solchen discoursen hervorkommen, so zürne ich recht. Last Eüch diß vor dießmahl zur wahrnung dinnen, liebe Amelisse, undt kompt mir nicht mehr damitt auffgezogen! sonsten werde ich zörnen. Ich glaube, daß Ihr daß frantzosch sehr delicat außsprecht; den schir überall, wo man ordinarie ein t setzt, setzt Ihr ein d, alß bonne fordune, indention, imporduniren; den hir im landt sagt man fortune, intention, importuner; es muß also sehr delicat heraußkommen, mögte es gerne hören. Ich höre gerne neüe zeittungen, allein ob schon keine in [151] Eweren brieffen, werden sie mir doch nicht desto weniger ahngenehm sein; den Ihr undt Ewere geschwister seydt gar gewiß, liebe Amelisse, wo ich mich ahm meisten vor interessire. Ich pretendire Eüch nicht Ewer frantzosch umbsonst alß zu corigiren, corigire es mitt dem beding, daß Ihr mir meine teütsche frassen, im fall ich etwaß mögte vergeßen haben, auch corigiren mögt; den wie Ihr secht, so bin ich sehr interessirt. Die auffs landt ziehen, haben woll groß recht; den bey dießem schönnen undt warmen wetter ist es nicht gutt noch ahngenehm, in einer stadt verspert zu sein. Der sawerbrunen ist hir im landt auch sehr a la mode geweßen. Man kompt aber nun schon wieder; gestern undt vorgestern kammen I. L. monsieur le duc undt madame la duchesse. Hatt man aber mäner feil in den teütschen sawerbrunen, daß daß sprichwort sagt, daß man deßwegen in sawerbrunen zicht? Kinder bekommen ist ein trawerig handtwerck. Wie ich aber von mein fraw baß, der fraw landtgräffin Libden, vernehme, so wirdt die ursach, umb kinder zu krigen, sie nicht in den sawerbrunen führen; den sie hatt deren genung. Ich bin fro, daß Ihr undt Louisse ins Schlangenbadt geht; daß wirdt Eüch ein wenig verenderung geben. Ich kan mir nicht einbilden, waß monsieur d’Iberville so offt zu Cassel thun muß. Ich bin ihm sehr verobligirt, guts von mir zu reden; den es bloß sein gutter wille sein muß; den ich erinere mich nicht, mein leben ein wordt mitt ihm gesprochen zu haben. Wen es jemandes were, mitt wem ich bekandt, könt Ihr woll gedencken, daß ich ihn würde gebetten haben, offt zu Eüch zu kommen. Daß mergen von dem tag erinere ich mich gar nicht, mein leben gehört zu haben; diß landt macht einem manch mergen vergeßen. Ich habe all mein leben die commedien sehr geliebt undt liebe sie noch; ist also kein wunder, daß mir daß possenspiel im gedächtnuß blieben ist. Es ist nur seyder meinen kinderblattern, daß ich mein gedachtnuß geschwächt finde. So baldt ich einen ameishauffen finden werde, werde ich daß remedium versuchen, welches ahngenehm ist; den es richt wie eßig undt ich riche gerne eßig. Hir im landt seindt die ameisshauffen nicht in den wießen, sondern nur in den wäldern, aber so offt ich deren finden werde, will ich es thun; dancke Eüch, liebe Amelisse, zum vorauß davor. Ich bin alle tag, die gott gibt, 3 stundt in der lufft. Seyder etlichen jahren her bin ich sehr melancolisch worden, liebe nichts mehrers, alß die einsamkeit, undt [152] gestehe, daß ich allezeit die geselschafft fliehe. Man wirfft mirs offt genung vor, ich kans aber nicht endern. Ich finde mich selber so langweillig, daß ich förchte, die geselschafft zu enuyren; bin derowegen lieber allein, bringe alle tag 5 gantzer stunden allein zu. Deß envoyes von Denemarck fraw, die fraw von Magercroon, hatt mir keyßer Carls kopffwaßer versprochen; gebt Eüch also die mühe nicht, solches vor mich zu machen! Es ist warlich meine schuldt nicht, sondern monsieur de Bechamel, Monsieur surintendenten, schuldt, daß Ihr die contrefait noch nicht habt; er hatt mir schon zweymahl so abscheüliche contrefait machen laßen, daß ich sie nicht habe schicken dörffen. Ich versprech Eüch aber, daß ich wider auffs neüe dran treiben werde. Daß vertrawen, so Ihr mir erweist, touchirt mich recht, liebe Amelisse, undt habe eine rechte reconoissance davor. Ich bin Eüch auch sehr verobligirt, daß Ihr wünscht, zu meinem vergnügen zu helffen, allein mein lauff ist baldt zum endt; ich fange ahn undt werde sehr alt; verzweyffelt noch verzagt bin ich nicht, aber durch manche gar trawerige experientzen der welt sehr satt undt müde. Ich lebe, ohne nichts zu fürchten noch zu wünschen; außer meine kinder, ma tante, Eüch undt noch etliche gutte freünde, sonsten nehme ich in nichts part, waß auch in der welt vorgehen mag. Vor mir selber wünsche ich nichts, alß gesundtheit, undt hirin erhört mich gott der allmächtige woll; den ich bin gar gesundt, gott lob! Carl Moritz solte die milchchur brauchen, daß würde ihn erfrischen undt den greülichen durst benehmen. Der könig kan daß landtknechtspiel nicht verbietten, so lang sein eintziger sohn undt bruder, alß monsieur le Dauphin undt Monsieur, nichts anderst spillen wollen. Viel leütte seindt doch Ewerer meinung. Es ist mir immer bang darbey, wen ich kinder so witzig vor dem rechten alter sehe; den es ist ein zeichen, daß sie nicht lange leben, ist mir also bang vor dem kleinen churprintzen von Brandenburg. Ich erinere mich deß obersten Degenfelts gesicht noch gar woll; er hatte ein kurtz viereckelt gesicht, aber nicht schmahl. Wie haben die damen Carl Moritz nicht ahn seinem aug gekendt? Daß kan doch der jetzigen damen coeffure nicht verbergen. Ihr, liebe Amelisse, müst sehr seyder Ewer kindtheit geendert sein, wen Eüch der manshabit nun woll stehet; den wie Ihr ein kindt wahret, sahet Ihr einer damen viel mehr, alß einem cavalier, gleich; Ihr glichet unßerer [153] verstorbenen königin s. Courage ist nur eine gewohnheit; wen man bey leütten ist, so nicht furchtsam sein, lernt mans auch. Unßer herr vatter s. pflegte mir zu sagen, er wolle mich nicht reitten laßen, weillen I. G. nicht wüsten, ob der man, den ich bekommen würde, gerne hette, daß seine gemahlin reitten möge; allein vor criminel hatt er mirs nie passiren machen. Den humor, wie ich den duc de Chomberg kene, hette ich nie gedacht, daß er Eüch daß schießen undt reitten proponiren würde. Mich deücht, es seindt jetzt so wenig lutterische princessinen vorhanden, daß die lutterische könige sich woll mitt den reformirten werden behelffen müßen. König in Engellandt glaube ich nicht sehr pressirt, zu heürahten. Dießer könig ist gewiß durch seine meritten einer von den grösten königen, so jemahlen gecrönt worden, aber unter unß will ich Eüch woll gestehen, daß, wen ich ledig were oder witwe undt er mir die gnade thete, meiner zu begehren, so wolte ich lieber ledig bleiben, alß die gröste königin von der welt werden undt einen man haben; daß heürahten ist mir abscheülich verleydt, dancke doch vor den wunsch, welcher allen andern außer mir gefahlen würde. Auß dießem discours secht Ihr woll, daß ich Eüch sehr woll verstanden habe. Ich estimire den könig von Engellandt sehr, ich erkene seine meritten; ich wolte, daß er mein tochterman hette können werden, dazu hette ich ihn lieber gehabt. Ewer brieff war gar leßlich undt auch nicht langweillig. Ihr secht woll, daß ich ihn gar woll geleßen, indem ich gar exact drauff geantwortet habe, undt weillen die antwort zum endt, bleibt mir nichts mehr überig, alß Eüch zu bitten, liebe Amelisse, persuadirt zu sein, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. Juni 1699 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 150–153
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0086.html
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