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Brief vom 17. Juli 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


90.


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A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou den 17 Juli 1699.
Hertzliebe Louisse, vor 2 tagen habe ich Ewer schreiben vom 27 Juni – 7 Julli zu recht entpfangen. Amelisse hatt mir letztmahl geschrieben, wie es zugangen, daß Ihr nicht eher auff meinen letzten brieff geantwortet habt; bin fro, daß Ihr beyde, Ewer schwester undt Ihr, liebe Louisse, so woll zufrieden mitt mir seydt über meinen fleißigem schreiben. Wen Ihr wißen köntet, waß vor ein stättiges gethun hir ist undt wie viel ich sonst zu schreiben habe, so würdet Ihr mirs noch mehr danck wißen, wen Ihr von meinen schreiben entpfangt. Weillen die sünde so gemein [162] bey den heyden, ja gar bey den ersten menschen war, so jetzt hir im lande im schwang geht, so ist es sich wenig zu verwundern, daß es noch so ist; den gewiß seyder dem die menschen nicht beßer geworden undt seyder die ersten Christen undt martirer sehen wir wenig unterscheydt leyder zwischen der heyden undt unßern zeitten. Wie es zu Augustus zeitten bey den höffen zuging, so geht es hir auch, undt nichts ist rarer in Franckreich, alß der christlich glaub. Ich weiß nicht, ob etlich leütte ihre laster noch vor sünden halten; allein vor keine schande wirdt kein laster mehr gehalten. Wen Ihr herr von einem landt wehret, würdet Ihr ebenso ambarassirt sein, die laster außzureütten, alß ein anderer; wehren sie nicht so gemein, könnte es ahngehen, aber weillen es so gar gemein, waß will man thun? Solte der könig alle die abstraffen nach verdinst, so lasterhafft sein, würde er ohne fürsten, edelleütte undt bedinten bleiben, ja kein hauß in Franckreich würde ohne trawer sein. Wo ich ahm ersten erfahren, daß weiber einander unzüchtiger weiß können lieb haben, daß war, wie ich von Iburg widerkam undt die alte abtißin von Herford gestorben war, so viel ahn eine von ihren jungfern, ein Donep von geschlegt, gelaßen hatte. Da wolte sich I. G. unßer herr vatter s. halb kranck lachen undt sagte so dolle sachen von dem dinst, so die Donnepen dießer abtißin geleist, in welcher platz ma tante, die printzes Lisbet, kommen war, daß ich woll merckte, daß waß unrechts dahinder sein müste; hatt mich also kein wunder genohmen, wie ich wider davon gehört. Der duc de Chonberg hatte recht; diß laster ist sehr gemein in Franckreich, aber in Teütschlandt hört man doch, gott lob, selten von dergleichen wustereyen. Ich kan leicht begreiffen, waß eine solche wißenschafft in einem soubçoneussen undt argwohnischen menschen, wie Ewer schwager ist, muß zu wegen gebracht haben. Diß laster ist noch viel gemeiner in der Türckey, alß hir; da seyndt die weiber im serail so verbicht auff einander, daß sie gar nichts nach den mänern fragen. So seindt sie hir nicht; den alle, die von dem humor, lieben auch die mäner; aber in der Türckey haben sie solche jalousien von einander, daß sie sich unter einander poignardiren. Ich gestehe, daß ich diß laster durchauß nicht begreiffen kan; ein weibsmensch kompt mir noch taußendtmahl eckelhaffter vor, alß ein mansmensch. Waß Ihr aber sagt, ist woll war, daß einem [163] die mansleütte beschuldigen, daß man die weiber liebt, wen man nach ihnen nichts fragt. Die mode von den weibern wirdt so baldt nicht in Teütschlandt kommen, alß die mänerlieb; den daß lernen die jungen bursch hir in den coligium undt accademien mitt andern kindern; die teütsche medger kommen aber nicht in Franckreich, undt in Teütschlandt ist dieße inclination nicht, seindt also sicher. Ihr seydt mir ja lieb undt nahe genung, umb daß mir Ewere recomandationen mögen ahngelegen sein; hirüber ist weder zu dancken noch sich zu verwundern. Solte der gutte fürst von Ussingen noch zu Franckfort sein, wen Ihr dießen brieff entpfangen werdet, so bitte ich, macht ihm doch mein compliment undt sagt ihm, daß ich woll sehe, daß er seine alte freünde gantz vergist, weillen er mir nichts durch Eüch entbotten, daß ich aber nicht so seye, sondern allewege, wo ich weiß, daß meine gutte freünde seyen, sie grüßen laße! Von graff Lutz bin ich sehr content; den bitte ich wider von meinetwegen zu grüßen undt zu sagen, daß ich gantz verwundert bin, zu vernehmen, daß er in den h. ehestandt getretten; bitte, er solle mir doch wißen laßen, wie er sich dabey befindt, undt daß ichs ihm recht danck weiß, daß er keine Frantzößin genohmen hatt. Wen hatt er aber genohmen? Daß mögte ich gern wißen. Ich habe dießen graffen in allen ehren recht lieb. Es ist ein recht gutter ehrlicher herr. Er wirdt Eüch viel von dießem hoff verzehlen können; den er kent undt weiß alles woll, wie es hir zugeht. Ich glaube, daß es ohngefehr geschehen, das er nicht zu Eüch kommen; den er ist zu raisonabel, umb zu meinen, daß man in die leütte verliebt müste werden, so man sicht. Ich habe lachen müßen, daß Ihr sagt, daß unter dem besten hudt ein naumb sitzt; daß ist warlich woll war. Hettet Ihr mir aber daß naumb nicht außgelegt, hette ichs nicht recht verstanden. Ich weiß sachen von dießem graff Lutz, so admirabel sein, aber zu lang zu verzehlen wehren. Es seindt wenig leütte so, wie er; er hatt viel undt manche gutte qualitetten ahn sich, wirdt hir von jederman estimirt, undt waß man hir lobt, kan man glauben; den man redt eher bößes, alß guttes, von seinen negsten. Worumb nembt Ihr daß gelt nicht, so Ihr von dem alten Malthesser comenter gewint? Er verliehrt nichts von den seinen. Waß er hatt, gehört dem orden, undt der orden ist ja reich genung. Auff mein wort, habt hirin gar kein scrupul! undt weillen Ihr mirs [164] gebeicht, gib ich Eüch gantz undt gar die absolution drüber, könts auff mein wort thun. Die wüste pfaffen seindt reich genung. Wir haben nun gar nichts neües hir undt Ewer brieff ist beantwortet, liebe Louisse! Schließlich versichere ich Eüch nur, daß ich Eüch undt Ewere geschwisterig von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. Juli 1699 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 161–164
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0090.html
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