[171]
A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.
Fontainebleau den 1 October 1699.
Hertzliebe Amellisse, ich habe alleweill ahn Louisse die
ursachen geschrieben, weßwegen ich so gar lang geweßen, ohne auff
Ewere liebe schreiben zu antwortten. Sie wirdt Eüch vielleicht
meinen brieff weißen; derowegen, umb nicht zwey mahl einerley zu
sagen, widerholle ich es nicht, sondern will nur gedencken, auff
Ewere zwey liebe schreiben noch vor der comedie zu antwortten,
so umb halb 8 ahnfangen wirdt. Ewer erstes schreiben ist vom
29 August – 8 September. Vor alle gutte wünsche, so Ihr mir
undt meinem enckel thut, bedancke ich mich sehr, gestehe aber,
daß der verdruß, daß meine reiße zurückgangen, größer geweßen,
alß die freüde über meiner dochter sohngens geburt; den ich hatte
noch regret, nicht dabey zu sein haben konnen, umb mich mitt
[172]
vatter undt mutter aber die ahnkunfft dießes so gar jungen
cavaliers zu erfreüen. Ich schreibe ahn Louisse die rechte gründtliche
ursach, weßwegen die reiße zurück. Last es Eüch weißen! undt
dadurch werdet Ihr woll ersehen, daß es die ursach nicht war, so
man zu Franckfort gesagt hatte. Die fraw von Ratzamshaussen ist
vor 4 wochen wider nach hauß. Sie hatt es auff einen fuß gesetzt,
alle jahr herzukommen; bin recht fro, wen sie kompt; den sie hatt
gar einen lustigen humor, jederman mag sie woll leyden. Ich
wolte, daß ich Carl Moritz hette sprechen können; mich deücht,
ich wolte ihn einen solchen abscheü vors sauffen gemacht haben,
daß er sich vielleicht davon würde corigirt haben; den ich
vernehme leyder, daß er zu Berlin alle tag voll ist undt den gar
dolle sachen solle vorbringen. Er thete beßer, nur commedien zu
machen. Ma tante ist, gott seye danck, wider in volkommener
gesundtheit, I. L. gutt temperament hatt sie erett. Der allmächtige
verleye, daß in langen jahren keine unpaßlichkeit mehr kommen
möge! Alles, waß man vor mir gibt, kan ich nicht bekommen; den
wie die heürahtscontracten hir gemacht werden, so ist der man
herr über alles, gibt nur, waß er gutt findt; also hatt man mir
eine schuldt von 2 taußendt pistollen bezahlt undt meine menus
plaisir vermehrt. Ihr wirdt vielleicht nicht [wißen], waß menus plaisir
ist; es ist, waß man bey unß spielgelt heist; also habe ich doch ein
wenig von der sach profitirt. Ich habe Ewere sach starck ahn
Monsieur recomandirt; der hatt befohlen, daß man herrn Obrecht
davon schreiben solle, welches geschehen. Ich weiß nicht, ob die
königin in Portugal zu beklagen ist; den ich glaube, sie ist
glücklicher, todt zu sein, alß königin in dem landt undt bey dem könig
geblieben zu sein, undt ich glaube, daß ihr die lust in Portugal
woll vergangen wirdt sein vor ihrem todt. Vorgestern hatt man
hir die trawer vor dieße königin genohmen. Der könig in
Portugal solle gar ein bößer herr sein, hatt seine gemahlin vielleicht so
gezercht, daß sie endtlich auch böß geworden ist. Man meint hir,
dieße königin hette so woll alß ihre forfahrerin von ihrem könig
met verlöff die Frantzosen bekommen undt were dran
gestorben; den der geringeste ritz macht sterben, wen man die
kranckheit recht hatt. Die keyßerliche printzessin, so in Portugal muß,
ist woll zu bedawern. Ich kan leicht glauben, daß es der
hoffmeisterin weder in Spanien noch in Portugal gefallen hatt, glaube
[173]
nicht, daß die princes von Parma (undt nicht Barma, wie Ihr
schreibt) glücklicher ist, alß ihre fraw schwestern. Die von
Spanien schreibt mir etlich mahl gar hoffliche brieffe, ist mir also
recht leydt, daß die gutte königin so unglücklich ist. Wen man
die leütte so unerhört quält, so werden sie endtlich böß. Es were
ein glück vor gantz Europa, wen die königin in Spanien ein kindt
bekommen könte, bub oder medgen, alleß were gutt, wens nur ein
kindt were undt leben blieb. Man muß kein prophet sein, umb zu
sehen, daß es krieg geben muß, wen der könig in Spanien ohne
erben sterben solte; den man weiß ja woll, daß alle hohe häubter,
so dieße sucession pretendiren, keiner dem andern cediren wirdt,
also woll durch den krieg wirdt müßen außgemacht werden.
Hirmitt ist Ewer erster brieff vollig beantworttet. Ich komme jetzt
auff den vom
12/
22 September, so ich gestern abendts entpfangen,
alß ich von der hirschjagt kamme. Meine gesundtheit ist, gott
lob, gar perfect. Wen mirs möglich ist, bin ich fleißig in
schreiben, wie Ihr woll secht, liebe Amelisse, wen ich zu Paris,
Versaille oder St Clou bin; hir aber hatt man wenig zeit wegen
der jagten undt comedien, wie auch weillen wir die englische
königliche personnen 18 tag hir gehabt haben. Nun sie aber wider weg
sein, hoffe ich, hinfüro mehr zeit zu haben. Ich weiß woll, daß
ma tante, gott seye danck, wider woll ist; den ich habe alle woche
zwey mahl gnädige schreiben von I. L. Gott erhalte sie lange
jahren! Mich deücht, je mehr man vor sich geht, je schwächer
werden die jungen leütte, kan die ursach deßwegen nicht errahten.
In den alten gemähls sicht man, daß man den kopff noch mehr
verdeckt hatt, alß nun; haben doch lang gelebt. Die moden ist
geendert, seyder man hir ist; man tregt die rayons viel niederiger
undt die junge leütte tragen gar keine mehr, nur bandt breydt
undt nompareille dazwischen undt die haar gar hoch frißirt. Ich
habe nicht gehört, daß die fürstin von Hanaw nur alß eine gräffin
solle im Elsaß getracktirt werden, aber die rechte warheit zu
sagen, so wißen die Frantzoßen wenig, waß fürsten oder graffen
sein. Sicht sie die fraw von Ratzenhaussen, so wirdt sie mir woll
davon schreiben. Die churfürstin zu Pfaltz hatt woll daß schießen
nicht in Ittallien gelernt, sie muß es in der Pfaltz gelernt haben.
Ich gönne es den gutten Pfältzern woll, daß sie einen gutten herbst
haben. In dießem augenblick kompt jemandes auß Lotteringen;
[174]
ich muß ein wenig hören, wie es dort zugeht, kan ich also vor
dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch allezeit von hertzen
lieb behalte. Ich kan mein brieff nicht überleßen. Entschuldigt
die fehler!