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Brief vom 1. Oktober 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


95.


[171]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Fontainebleau den 1 October 1699.
Hertzliebe Amellisse, ich habe alleweill ahn Louisse die ursachen geschrieben, weßwegen ich so gar lang geweßen, ohne auff Ewere liebe schreiben zu antwortten. Sie wirdt Eüch vielleicht meinen brieff weißen; derowegen, umb nicht zwey mahl einerley zu sagen, widerholle ich es nicht, sondern will nur gedencken, auff Ewere zwey liebe schreiben noch vor der comedie zu antwortten, so umb halb 8 ahnfangen wirdt. Ewer erstes schreiben ist vom 29 August – 8 September. Vor alle gutte wünsche, so Ihr mir undt meinem enckel thut, bedancke ich mich sehr, gestehe aber, daß der verdruß, daß meine reiße zurückgangen, größer geweßen, alß die freüde über meiner dochter sohngens geburt; den ich hatte noch regret, nicht dabey zu sein haben konnen, umb mich mitt [172] vatter undt mutter aber die ahnkunfft dießes so gar jungen cavaliers zu erfreüen. Ich schreibe ahn Louisse die rechte gründtliche ursach, weßwegen die reiße zurück. Last es Eüch weißen! undt dadurch werdet Ihr woll ersehen, daß es die ursach nicht war, so man zu Franckfort gesagt hatte. Die fraw von Ratzamshaussen ist vor 4 wochen wider nach hauß. Sie hatt es auff einen fuß gesetzt, alle jahr herzukommen; bin recht fro, wen sie kompt; den sie hatt gar einen lustigen humor, jederman mag sie woll leyden. Ich wolte, daß ich Carl Moritz hette sprechen können; mich deücht, ich wolte ihn einen solchen abscheü vors sauffen gemacht haben, daß er sich vielleicht davon würde corigirt haben; den ich vernehme leyder, daß er zu Berlin alle tag voll ist undt den gar dolle sachen solle vorbringen. Er thete beßer, nur commedien zu machen. Ma tante ist, gott seye danck, wider in volkommener gesundtheit, I. L. gutt temperament hatt sie erett. Der allmächtige verleye, daß in langen jahren keine unpaßlichkeit mehr kommen möge! Alles, waß man vor mir gibt, kan ich nicht bekommen; den wie die heürahtscontracten hir gemacht werden, so ist der man herr über alles, gibt nur, waß er gutt findt; also hatt man mir eine schuldt von 2 taußendt pistollen bezahlt undt meine menus plaisir vermehrt. Ihr wirdt vielleicht nicht [wißen], waß menus plaisir ist; es ist, waß man bey unß spielgelt heist; also habe ich doch ein wenig von der sach profitirt. Ich habe Ewere sach starck ahn Monsieur recomandirt; der hatt befohlen, daß man herrn Obrecht davon schreiben solle, welches geschehen. Ich weiß nicht, ob die königin in Portugal zu beklagen ist; den ich glaube, sie ist glücklicher, todt zu sein, alß königin in dem landt undt bey dem könig geblieben zu sein, undt ich glaube, daß ihr die lust in Portugal woll vergangen wirdt sein vor ihrem todt. Vorgestern hatt man hir die trawer vor dieße königin genohmen. Der könig in Portugal solle gar ein bößer herr sein, hatt seine gemahlin vielleicht so gezercht, daß sie endtlich auch böß geworden ist. Man meint hir, dieße königin hette so woll alß ihre forfahrerin von ihrem könig met verlöff die Frantzosen bekommen undt were dran gestorben; den der geringeste ritz macht sterben, wen man die kranckheit recht hatt. Die keyßerliche printzessin, so in Portugal muß, ist woll zu bedawern. Ich kan leicht glauben, daß es der hoffmeisterin weder in Spanien noch in Portugal gefallen hatt, glaube [173] nicht, daß die princes von Parma (undt nicht Barma, wie Ihr schreibt) glücklicher ist, alß ihre fraw schwestern. Die von Spanien schreibt mir etlich mahl gar hoffliche brieffe, ist mir also recht leydt, daß die gutte königin so unglücklich ist. Wen man die leütte so unerhört quält, so werden sie endtlich böß. Es were ein glück vor gantz Europa, wen die königin in Spanien ein kindt bekommen könte, bub oder medgen, alleß were gutt, wens nur ein kindt were undt leben blieb. Man muß kein prophet sein, umb zu sehen, daß es krieg geben muß, wen der könig in Spanien ohne erben sterben solte; den man weiß ja woll, daß alle hohe häubter, so dieße sucession pretendiren, keiner dem andern cediren wirdt, also woll durch den krieg wirdt müßen außgemacht werden. Hirmitt ist Ewer erster brieff vollig beantworttet. Ich komme jetzt auff den vom 12/22 September, so ich gestern abendts entpfangen, alß ich von der hirschjagt kamme. Meine gesundtheit ist, gott lob, gar perfect. Wen mirs möglich ist, bin ich fleißig in schreiben, wie Ihr woll secht, liebe Amelisse, wen ich zu Paris, Versaille oder St Clou bin; hir aber hatt man wenig zeit wegen der jagten undt comedien, wie auch weillen wir die englische königliche personnen 18 tag hir gehabt haben. Nun sie aber wider weg sein, hoffe ich, hinfüro mehr zeit zu haben. Ich weiß woll, daß ma tante, gott seye danck, wider woll ist; den ich habe alle woche zwey mahl gnädige schreiben von I. L. Gott erhalte sie lange jahren! Mich deücht, je mehr man vor sich geht, je schwächer werden die jungen leütte, kan die ursach deßwegen nicht errahten. In den alten gemähls sicht man, daß man den kopff noch mehr verdeckt hatt, alß nun; haben doch lang gelebt. Die moden ist geendert, seyder man hir ist; man tregt die rayons viel niederiger undt die junge leütte tragen gar keine mehr, nur bandt breydt undt nompareille dazwischen undt die haar gar hoch frißirt. Ich habe nicht gehört, daß die fürstin von Hanaw nur alß eine gräffin solle im Elsaß getracktirt werden, aber die rechte warheit zu sagen, so wißen die Frantzoßen wenig, waß fürsten oder graffen sein. Sicht sie die fraw von Ratzenhaussen, so wirdt sie mir woll davon schreiben. Die churfürstin zu Pfaltz hatt woll daß schießen nicht in Ittallien gelernt, sie muß es in der Pfaltz gelernt haben. Ich gönne es den gutten Pfältzern woll, daß sie einen gutten herbst haben. In dießem augenblick kompt jemandes auß Lotteringen; [174] ich muß ein wenig hören, wie es dort zugeht, kan ich also vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte. Ich kan mein brieff nicht überleßen. Entschuldigt die fehler!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 1. Oktober 1699 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 171–174
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0095.html
Änderungsstand:
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