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Brief vom 31. August 1700

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


113.


[204]

A mad. Louisse, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou den 31 August 1700.
Hertzliebe Louisse, vergangen donnerstag habe ich Ewern lieben brieff von 19 August zu recht entpfangen, hette auch gleich freitags drauff geantwortet, wen ich selbigen tag nicht mitt Monsieur zu Paris ins opera gemüst hette, habe es also biß nun verschieben müßen. Den sambstag muste ich mitt Monsieur, nachdem wir ahn mein dochter geschrieben hatten, in ein closter, wo ein fest war, weillen es sanct Augustinus tag war; von dar seindt wir hir ahm endt deß dorffs ein gar schön hauß gehen sehen, wo wir den gantzen abendt spatzirt. Sontags war die post von Hannover undt muste auch in kirch. Gestern fuhr ich nach Paris au Port royal, alwo ich ahn die hertzogin von Savoyen undt mein dochter schriebe, undt besuchte hernach madame la princesse undt ihre fraw dochter, mademoiselle de Condé; sie seindt beyde kranck, madame la princesse aber nicht wie ihre dochter; den I. L. haben nur ein colera morbus gehabt undt deßwegen gestern medecin genohmen, mademoiselle de Condé aber ist so übel, daß ich nicht glaube, daß sie davon kan kommen; sie hatt ein art von schwindt- undt lungensucht, sie sicht erbärmlich auß, ich glaube nicht, daß sie noch 2 monat zu leben hatt. Nachdem ich dieße vissitte abgelegt, fuhr ich wider her. Auß dießem allem secht Ihr woll, liebe Louisse, daß ich nicht eher, alß heütte, habe schreiben können. Es ist mir von grundt meiner seelen leydt, zu vernehmen, daß Amelisse wider umbgeschlagen undt übel ist. Ihre excusse ist nur gar zu gültig. Ich mögte ihr gern waß schicken, so gar gutt vors grieß ist undt viellen hir geholffen, allein ich weiß keine gelegenheit nicht; den so [205] eine bouttaille kan man nicht auff der post schicken. Sucht den einige gelegenheit undt last mirs wißen, liebe Louisse! Wen Ihr einige gelegenheit werdet gefunden haben, so werde ich es schicken mitt sambt der beschreibung vom ittallienschen docktor, wie man es brauchen muß. Meine gesundtheit ist, gott sey dank, gar perfect nun, außer daß mir daß miltz etlich mahl geschwelt, welches aber nichts gefahrliches ist, gott lob! Vor alle gutte wünsche, so Ihr vor meine gesundtheit thut, dancke ich Eüch sehr. Es wundert mich nicht, daß Amelisse trawerig ist; nichts in der welt ist verdrießlicher, alß kranck sein undt schmertzen leyden; sie jammert mich von hertzen. Ich bitte Eüch, liebe Louisse, ambrassirt sie doch von meinetwegen undt sagt ihr, wie leydt es mir ist, daß sie so schmertzlich kranck ist! Es ist mir lieb, zu vernehmen, daß Carl Moritz wider woll ist. Pfaltzgraffs Philips von Sultzbach vissitte ist in dem alter, wo I. L. sein, sans scandalle. Alle die frembdten fürsten, so nach Franckfort kommen, sollen doch den ort lebendiger machen. Der herr von Vicedom ist noch nicht hir erschienen. Vom bayrische hoff habe ich hir unterschiedtliche cavallier gesehen, so weiß undt rodt ahnhatten undt dazu noch gemachte augbrauen, aber sonsten sicht [man] wenig dergleichen leütte. Es ist hir eine fürstin von Nassau. Ich habe sie nicht sehen können; den der könig hatt nicht erlauben wollen, daß ich sie alß eine fürstin tractirt. Daß ist gemachlich vor Eüch, daß Ihr niemandts zu fliehen habt undt bey geselschafft sein könt. Den krancken undt schwachen personnen, wie Amelisse, solte es doch woll erlaubt sein, ohne reverentzen ihre vissitten abzulegen. Diß laster, so der hertzog von Wolffenbüttel hatt undt welches nun so gar unerhört gemein hir im landt ist, davon corigiren sich die leütte niemahlen, wundert mich also gar nicht, daß dießer hertzog noch so ist. Gott verzeye mirs! aber ich finde, daß verliebt von seiner schwester zu sein, noch etwaß abscheülichers ist. Mich deücht, die welt wirdt je lenger je ärger, jedoch so kan solche lieb auch unschuldig sein. Von madame d’Usses werde ich nichts mehr sagen, alß nur, daß sie gar nicht von verstandt gefehlt hatt, aber von denen gutten leütten, die alles entschuldigen. Ihr man hatt gar kein verstandt, ist heßlich undt stinckendt dabey. Maner nehmen hir im landt ist gar eine gewagte sach, die rewe folgt baldt. Ewere raisonementen seindt mir gar nicht verdrießlich, glaube auch vielmehr, daß Ihr [206] müde vom schreiben wahret, alß geglaubt habet, daß Ewer schreiben mir beschwehrlich. Ma tante, die fraw churfürstin, hatt mir schon bericht, daß der nordische frieden unterschrieben ist. Hir haben wir vor dießmahl gar nichts neües. Vor 14 tagen bekamme Monsieur vor daß erste mahl daß potagram. Wir haben unß alle drüber erfrewet; den es solle ein zeichen von langen leben sein, wen sich daß potagram so spät ahnmelt. Adieu, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch undt Ewere geschwisterig von hertzen undt behalte Eüch allezeit lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 31. August 1700 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 204–206
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0113.html
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