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Versaille den 13 December 1701.
Hertzliebe Amelisse, es mögte mir heütte woll gehen, alß
vergangenen sambstag, wie ich ahn Louisse schriebe undt so offt
interompirt wurde, daß ich zuletzt selber nicht mehr wuste, waß ich
sagte. Ich glaube nicht, daß sie meinen brieff wirdt haben leßen
undt noch weniger begreiffen können, aber sie wirdt doch meinen
gutten willen gesehen haben undt wie ich im sin gehabt, exact auff
ihr schreiben zu antwortten, wie Ihr jetzt auch thun müst, so doll
es auch heraußkommen mag. Ich will bey dem frischten ahnfangen,
umb nicht zu offt einerley zu sagen; es ist vom 26 November
dattirt undt eine andtwort auff daß meine vom 4 ist. Ich halte es
allezeit vor ein gutt werck, wen ich die entretenire, so ich lieb
habe, aber nicht von denen wercken, welche gott mir vergelten
solle; bin von hertzen fro, daß meine schreiben Eüch so
ahngenehm sein; daß wirdt mich Eüch desto fleißiger schreiben machen.
Von Louisse habe ich schon andtwort erhalten auff meinem brieff,
worinen ich deß Zweyffel ohnhöffliches begehren geschickt, werde
also nichts mehr hirauff sagen. Ihr habt recht, liebe Amelisse,
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Ewern tag nicht zu cediren. Der junge herr von Degenfelt ist just
deß herrn Degenfelts sohn, den wir den obersten Degenfelt hießen;
den er hieß Christoffel, hatt waß ahn einem aug. Ich habe ihn gar
woll gekendt, er war immer in meiner cammer; den er war ein
wenig charmirt von die Woltzogin, daß effel, daß hernach den
Eberfritz, den Veninger, bekommen; diß seindt aber alte
geschichten. Herr Ferdinant muß nun woll nicht weit von daß 70 jahr
sein; den ich glaube, daß er woll 20 jahr älter ist, alß ich. Ich
habe ihn allezeit recht estimirt undt viel von ihm gehalten; es
deüchte mir auch, daß er mich nicht haste. Er ist all sein leben
ein wenig dick geweßen; drumb solte er reißen, umb ein wenig
magerer zu werden. Man sagt, daß in Ittallien in den operaen die
stimmen undt die decorationen beßer sein, alß hir; allein daß
orquestre, die simphonien, kleyder undt täntze sollen zu Paris beßer
sein, alß in Ittallien. Mylord Oustack ist schön, wen er nicht
grimassirt, aber mitt dem grimassiren verdirbt er sich offt, daß er
gantz anderst außsicht. Hir hatt er viel conquetten gehabt, unter
ander eine große dame, so nun todt ist, welche ihn hertzlich gern
gesehen undt die bittere threnen bey seinem abschidt vergoße. Umb
gefahr bey den mansleütten außzustehen, hatt er nicht nöhten, in
Ittallien zu gehen; in Engellandt wirdt er es genung außstehen.
Mylord Albermare sach will ich Eüch leicht begreiffen machen; den
könig hatt mylord Albermale lieb umb sein gelt undt faveur, die
dame aber umb ihre person. Von könig Wilhelm ist nur gar zu
wahr, waß man von ihm sagt, aber alle heros wahren auch sehr,
Herculles, Thessée, Allexandre, Cezar; dieße alle wahren so undt
hatten ihre favoritten. Die von dem laster seindt undt die h.
schriefft glauben, bilden sich ein, daß es nur sünde geweßen, wie
noch wenig leütte in der welt wahren undt waß sie thetten den
menschlichen geschlegt schaden konte, indem es verhindert, mehr
menschen zu werden; aber nun, daß die welt gantz peuplirt ist,
halten sie es nur vor ein divertissement, halten es aber heimlich, so
viel sie können, den gemeinen man nicht dadurch zu ärgern, aber
unter leütte von qualitet reden sie öffendtlich davon, halten es
vor eine gentillesse, wißen auch woll zu sagen, daß seyder Sodom
undt Gomora unßer herrgott niemandt drumb gestrafft hatt. Ihr
werdet mich gelehrt finden in dießem text; etlich mahl habe ich
davon reden hören, seyder ich in Franckreich bin. Wer gott in
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der warheit undt nach seinem wordt dinnen will, muß woll alle
tag die heylige schrifft leßen, sonsten würden wir in finsternuß
sein. Ich bin persuadirt, daß die rechte religion die ist, so ein
Christ in seinem hertzen hatt undt auff gottes wort gegründet ist;
daß überige seindt nur pfaffen-geschwetz. In welcher religion es
auch sein mag, man kan allein durch die wercke von rechten
glauben judiciren; wehr woll thut, liebt gott undt seinen negsten, daß
seindt die gesetz undt prophetten, wie unßer herr Christus unß
lehrt. Alle abergläubische meßen werden hir dermaßen gestrafft,
daß ein priester, so vor meüße die meß hir leßen würde, gebrent
würde werden wie ein zauberer. Carl Moritz wundert mich,
geschmehlt zu haben, daß Ihr mir frey schreibt. Kan er den glauben,
daß ewige complimenten ahngenehme brieffe machen könnte undt
daß es ein spaß sein kan, mitt leütte, so man lieb hatt undt denen
man so nahe ist, alß im zwang zu reden? Daß wundert mich vor
einem menschen, wie er ist, so verstandt hatt. Er hatt sich doch
selber jetzt gecourigirt, schreibt aber gar selten. Ich dachte woll,
daß Ihr es anderst mitt der jungen königin in Spanien müstet
gemeint haben, alß es gelaudt hatte. Der churfürst von Bayern
hatt seine maistresse nicht mehr bey sich, die contesse d’Arcot;
sie ist jetzt zu Turin. Daß teütsche sprichwort schickt sich nicht
hieher, aber stille hirvon! Es ist mir recht leydt, daß es krieg
wirdt; ich mögte friede zu unßern zeitten sehen. Die gottloßen
seindt nicht gezeichnet; gibt es krieg, so trifft es gutte undt böße.
Es ist kein wunder, daß der churfürst von Cöln vor seinem
leiblichen neuveu, den könig in Spanien, ist. Wie ich sehe, so macht
Ihr es nicht wie ich, weill Ihr die predigen behalt; ich kans aber
nicht laßen, ich schlaffe sie von einem endt zum andern auß.
Hirmitt ist Ewer letztes undt liebes schreiben durchauß beantwortet;
ich komme jetzt auff daß vom 12 November. Wir haben jetzt hir
auch gar heßlich wetter; es nebelt continuirlich, ist aber nicht kalt.
Wie ich sehe, so seydt Ihr undt Louisse nicht glücklicher im
spiellen, alß ich. Es ist gar gewiß, daß die, so daß spiellen nicht
lieben, offter verliehren, alß andere. Daß würde man Eüch hir
nicht erlauben, bey dem spiel zu discouriren. Rätzelger auffgeben
ist all artig; da amussire ich mich etlichmahl mitt, ehe ich
schlaffen gehe. Ich wolte, daß Ihr mich mitt nach Hannover nehmen
könte. Daß ist daß eintzige, so ich erdencken kan, so mich in
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dießer welt noch freüde geben könte; weillen es aber leyder nicht
geschehen kan, so wünsch ich Eüch ein glückliche reiß undt
lüstigen carnaval. Ihr müst unerhört geendert sein, Amelisse, wen Ihr
jetzt ein schmahl gesicht undt dicke naße habt; den wie Ihr ein
kindt wahret, hattet Ihr ein zimblich breydt gesicht undt schmahles
näßgen. Man erlaubt in Franckreich nicht, daß man auß dem
königreich geht. Ich bin nicht Carllutz meinung; ich will woll waß
schlimes haben, wen nur waß guts dabey ist, undt allezeit, wens
bey mir stehet, die sehen, so ich lieb habe. Ich kan nicht ahn
Carllutz gedencken, ohne daß mir die threnen in den augen
kommen; den ich habe ihn woll hertzlich lieb gehabt. Den tordt wolte
ich ma tante nicht thun, mich in einem standt zu setzen, ohne
geheüraht königin in Engellandt zu sein können. Ihr secht woll, daß
ich Eüch gar woll verstanden habe, bin Eüch doch verobligirt vor
den gutten wunsch. Ich dencke ahn nichts mehr, alß mein leben
so ruhig alß möglich zuzubringen, biß ich sterbe, welches woll
baldt geschehen mögte; den ich werde sehr alt. Ich wünsche, noch
fürchte den todt nicht; so lang ich aber leben werde, werde ich
Eüch undt Ewere geschwister recht lieb behalten.