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Brief vom 8. April 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


162.


[274]

A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Meudon den 8 April 1702.
Hertzliebe Amelisse, vor ein tag oder 10 habe ich Ewer liebes schreiben vom 19 Mertz zu recht entpfangen; erfrewet mich, darauß [275] zu sehen, daß meine schreiben Eüch ahngenehm geweßen. Ich glaube, Ihr werdet meine cammerfraw, die madame du Fresne, so ich allezeit noch Suson heiße, noch zu Cassel finden, undt wehrt mir einen rechten gefahlen thun, sie ahn I. L. meinen herrn vettern, dem landtgraffen, zu recomandiren. Ich fürchte, daß, weillen Ewer schwager die naredey begangen, sich wider zu heürahten, daß alle die mühe, so Louisse vor seinen proces genohmen, andern kindern, alß Ewerer schwester kinder, zu nutz kommen wirdt. Ich glaube, daß Ihr nicht übel thun werdet, eine reiße in Engellandt, umb zu sehen, ob Ihr dießen armen kindern waß werdet salviren können. Dieße arme kinder jammern mich recht. Ich glaube, daß er sichs baldt gerewen wirdt, eine so junge fraw genohmen zu haben; den dazu schickt sein jalousser humor gar nicht. Zu meiner zeit war der adel zu Hannover nicht so stoltz undt gaben den reichsgraffen alle die ehre, so ihnen gebührt. Seyder wan hatt sich den daß geendert? Sagt [man] jetzt im Teütschen hoffenhertzig, wie Ihr es schreibt? Zu meiner zeit sagte man offenhertzig. Ihr tröst mich recht, mich zu versichern, daß ich mein Teütsch noch nicht gantz vergeßen habe. Ich rede aber jetzt so selten, daß ich fürchte, daß ichs baldt vergeßen werde; jedoch so hoffe ich noch auff die fraw von Rotzenhaussen, so nun baldt herkommen wirdt undt mitt welcher ich allezeit teütsch spreche. Ich kene madame de Bellemont woll; es ist war, daß sie eine rechte gutte fraw. Hette ich nicht so fest auff ihr sachen gedrungen, hetten sie Monsieur s. leütte umb daß ihrige gebracht. Ich habe ihren sohn nie gesehen. War er artig? Die augen zu undt den mundt auff zu halten, steht gar nicht woll. Ihr soltet auch schir sagen, wie die gutte jungfer Colbin pflegt zu thun: Nirgendts geht es wunderlicher zu, alß in der welt. Ich werde gar kein überiges gelt herauß bekommen von der papstlichen sententz; den man muß abschlagen, waß ich entpfangen, welches hoher kompt, alß die 3 mahl hundert taußendt thaller. Die verfluchte pfaffen haben sich durch den großhertzog mitt gelt bestechen laßen; ich habe aber mein parthey gefast undt bin der sachen gantz getröst. Monsieur hatt wider meinen willen den proces nach Rom geschickt. Ich wolte, daß die reichsfürsten es judiciren solten; daß wolte Monsieur nicht. Man hofft noch hir, daß mein sohns einsmahls wider zu dießen pretentionen gelangen wirdt können; daß geht mich aber nicht ahn, werde alßden lengst [276] verfault sein, bekümere mich also weitter nicht hirüber. Es ist seyder 4 tagen ein so abscheulicher kalter windt undt frost hir eingefallen, daß man sich nicht zu behelffen weiß. Dieße nacht sollen alle wingerten undt obst erfroren sein. Ich frir, daß ich kaum die feder halten kan. Ewer brieff, liebe Amilisse, ist beantwordet undt ich weiß nichts neües. König Wilhelms todt ist nun schon waß altes, sage derowegen nichts mehr, alß wie, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. April 1702 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 274–276
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0162.html
Änderungsstand:
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