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Brief vom 22. April 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


164.


[277]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Versaille den 22 April 1702.
Hertzliebe Louisse, es seindt schon etliche tage verfloßen, daß ich Ewer schreiben vom 6 April zu recht entpfangen, habe aber ohnmöglich eher, alß nun, drauff antworten können wegen der osterfest, alwo man hir den gantzen tag in den kirchen sein muß, undt die tage nach den festagen gestehe ich, daß ich, umb mich der [278] langen weill ein wenig zu ersetzen, so ich in den kirchen außgestanden mitt allem dem (unter unß gesagt) lateinischem gepler, so habe ich mich deß schönnen wetters ein wenig zu nutz gemacht undt bin nach Trianon spatziren gefahren, welches woll der schönste gartten ist, so man mitt augen sehen kan. Wen Ihr nur mein schreiben vom 12 Mertz entpfangen, liebe Louisse, so fehlt Eüch so eins von den meinen; den 8 dießes monts habe ich Eüch wider geschrieben. Der neüe proces wirdt mich woll nichts ahngehen, sondern meinen sohn. Der abbé Thessut ist viel betrübter, alß ich; den mein parthey hirin ist lengst gefast geweßen. Ich verstehe die sachen gantz undt gar nicht; waß mich aber glauben macht, daß mein recht nicht schlim war, ist, daß man meine comissarius 50000 thaller geben hatt, mir meinen proces verliehren zu machen; also, hette ich kein recht gehabt, deücht mir, daß die sach wolfeyller hette können außgesprochen werden. Cardinal Janson hatt die brieffe in original, so erweißen, daß diß gelt ist gegeben worden. Were es mir zugesprochen worden, hette es unß der könig nicht genohmen, oder doch, wen er es genohmen hette, so würde es unß hir mitt andern güttern ersetzt sein worden undt es hette mich gar in einem gutten standt gesetzt, ahnstatt daß ich itzunder nur gar genaw vor meinem standt zu leben habe; undt wie man hir im landt gar interessirt ist undt die leütte nur ahnsicht, nachdem man ihrer nöhtig haben kan, also, hette viel einkommen gehabt, würde mich jederman considerirt haben, welches nun, da man nichts zu hoffen hatt, eben nicht so sein wirdt; aber in dießem allem ist mein parthey gefast. Die Stübenvoll hatt mir geschrieben, ihr man hieße Segure Monbrun, welches ein geschlegt, so bey hoff bekandt ist. Von dem andern nahmen, nehmblich de Leure, hatt sie mir kein wort gesagt; es mag woll der nahmen von einem gutt sein; den nichts ist gemeiner hir in Franckreich, alß daß man seinen nahmen vor ein gutsnahmen fahren lest. Die gutte madame de Leure kan woll nicht jung sein; den wie ich ein kindt war, war sie schon eine alte jungfer, undt ich werde ja jetzt zu künfftigen May 50 jahr alt werden, welches gar keine jugendt noch kinderwerck ist. Ich glaube, daß sie nicht weit von 70 jahr ist, mag also woll alter, alß ma tante, die fraw churfürstin, scheinen; den es offt geschicht, daß die, so nur 2 jahr alter sein, ahm jüngsten scheinen. Zu dem wunsch, so Ihr thut, liebe Louisse, daß gott der [279] allmachtige ma tante erhalten möge, sage ich woll von hertzen amen. Nichts in der welt geht einem mehr zu hertzen, alß diejenigen zu quittiren, so man ehret undt liebet. Mir ist bang, wie ich Eüch schon letztmahl geschrieben, daß, ahnstatt vor Eweren neuveux zu arbeitten, Ihr alle die mühe vor andere kinder nembt, wen es ja war ist, daß Ewer schwager wider verheüraht ist mitt ein metgen von 17 jahren. Die herren rechtsgelehrten seindt fro, daß ein proces langsahm gehet; daß spickt ihnen ihre küche undt keller. Ich wünsche, daß die sach baldt möge zum endt gehen. Nun der könig in Preussen mitt dem graffen undt die gräffin von Warttenberg zu Hannover geweßen, mogte ma tante vielleicht waß vor Amelisse bey ihnen außgerichtet haben; so konte sich den alles schicken. Es ist recht impertinent von den adellichen damen zu Hannover, daß sie den reichsgraffinen disputtiren wollen; daß ist ja nicht erhört worden. Ich weiß nicht, wo der churfürst von Braunsweig ahn denckt, daß er solche sachen leydt. Er mag es auch threhen, wie er will, so seydt Ihr doch geschwisterkindt mitt ihm. Man kan glücklich geheüraht sein, man kan glücklich ledig sein undt auch unglücklich in beyden ständen; alles ist, wie die sachen sich threhen, undt es threhet sich, nachdem es über unß vorsehen ist; aber ordinaire, wen man von sich allein zu dependiren hatt, ist es ein glück. Ich hoffe, es wirdt Eüch undt Amelisse nicht so gehen; den Ihr seydt beyde zu raisonabel dazu; allein man pretendirt, daß ordinarie den alten jungfern eine rewe ahnkompt, welches sie hernach trawerig undt gridlich macht. Die arme Suzon jammert mich; den ich fürchte, sie wirdt ihre reiße umbsonst gethan haben, weillen Eüch mein vetter, der landtgraff Liebten, nichts geantwort hatt; den lob auf mein woll schreiben pretendirte ich gar nicht, sondern nur, daß der armen Suzon oder madame du Fraine recht möge geschehen. Wie ich von I. L. der landtgräffin höre, so muß sie gar eine raisonable undt gutte fürstin sein. Ich bin I. L. sehr verobligirt, sich der armen du Fraine ahngenohmen zu haben; bitte, wolt doch bey I. L. meine dinstliche dancksagung deßwegen erstatten. König Wilhelms todt hatt mich recht gejammert. Lenor hatt mir einen augsburgischen callender geschickt vergangen herbst, so auff diß jahr gericht ist; darin stehet clar dießes königs todt mitt dießen wortten NB♂ћʘ den 20 Mertz 1702:
[280] Ein potentat reist in daß grab,
deß thun sich andere frewen;
so gehts, wen einer danket ab
undt machet platz dem neuen.

Ich kan leicht gedencken, wie alle allirten sich über könig Wilhelms todt werden betrübet haben. Mich verlangt, zu erfahren, waß Ewer schwager wirdt geantwort haben auff seinen heüraht. Es were ridiculle, wen er den heüraht gethan hette, ohne Eüch ein wordt davon zu sagen, da Ihr Eüch so viel mühe vor seine processen gebt, hette er den heüraht gethan. Von dem humor, wie er ist, konte man woll sagen, daß er sich eine ruhte auff den hindern gebunden hette. Man stirbt ordinarie, wie man gelebt; so wirdts, fürchte ich, dem duc de Chomberg auch gehen. Wir haben nichts neües hir. Man hört von nichts alß krieg undt kriegsgeschrey. Der duc de Bourgogne wirdt zu künfftigen dinstag zu felt ziehen. Man sicht überal leütte, so abscheydt nehmen. Der hoff wirdt baldt sehr lehr sein; daß ist aber meine geringste bekümmernuß, den es geht mir keine geselschafft dran ab, den ich bin den gantzen langen tag allein in meinem cabinet undt die zeit wirdt mir nicht lang, findte die tage zu kurtz, habe viel blumen vor meinem fenster, viel hündtger, so ich recht lieb habe, gegrabene steinger, viel bücher; damitt kan ich mich gar woll amussiren undt damitt geschicht weeder gott noch der welt verdruß. Eine von meinen schönsten hündinen ist im kindtbett hir in meinem cabinet. Adieu, liebe Louisse! Ich will auch ahn Amelisse schreiben, von welcher ich gestern ein schreiben entpfangen, ambrassire Eüch also nur hirmitt undt versichere Eüch, daß ich Eüch allezeit lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. April 1702 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 277–280
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0164.html
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