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Brief vom 12. Mai 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


168.


[286]

A mad. Louisse, raugräffin zu Pfaltz, a Franckforth.

Versaille den 12 May 1702.
Hertzliebe Louise, heütte morgen bin ich mitt Ewerm lieben brieff vom 4 dießes monts erfrewet worden. Ich bin fro, daß alle meine brieffe zu recht ahnkommen sein undt nicht verlohren worden. Ich habe auch auff Ewere undt Amelisse schreiben eine zeit her sehr fleißig geantwortet. Ich muß lachen, daß es Eüch frewet, daß ich von dem lateinischen geplär nicht eingenohmen bin. Außer bludtseinfältige leütte sonsten lest sich niemandes davon einnehmen; man geht nur ahn solchen orten, den pöpel nicht zu scandalisiren, aber sonsten macht niemandes groß werck drauß. Von dem zeügs aber gar befreyet zu sein, ist ohnmöglich; mein beruff undt kindtlicher gehorsam haben mich her gebracht; hir muß ich leben undt sterben undt mein verhengnuß vollig erfüllen. Meinem gott dinne ich, wie ichs kan undt verstehe, laß ihn im überigen walten. Seyder 8 tagen haben wir gar schön wetter gehabt, ich habe michs auch braff zu nutz gemacht undt bin alle tag außgangen undt zu fuß spatzirt. Heütte aber ist es wider recht heßlich, windt undt regen. Die 8 tag her bin ich außer morgendts undt nachts ohne fewer; nun aber wirdt man woll wider fewer machen müßen. Ich fürchte, zu sehen, wie wenig die schönne tagen dawern, daß wir deren dießen frühling gar wenig haben werden; der krieg aber, wie ich glaube, thut wenig darzu. Überall ist mehr krieg, alß gelt. [287] Keyßerswehrt helt sich noch zimblich; die zeit wirdt lehren, waß drauß werden wirdt. Ich habe woll gehört, [daß] die keyßerlichen bey Landaw sein, aber noch nicht, daß man es ein soll haben; bitte, berichtet mich doch alles, waß Ihr neües [hört]! Hir erfahrt man woll die zeittungen, wen sie gutt sein, aber selten, wen sie böß sein, undt ich mögte doch gern alles wißen. Ma tante, die fraw churfürstin, glaubt nicht, daß die römische königin nach Heydelberg kommen wirdt, aber woll der römische könig. Seyder gestern geht daß geschrey zu Paris, der römische könig werde nicht zu felt gehen; in kurtzem wirdt man sehen, waß drauß werden wirdt. Man hatt mir gesagt, die cammerherrn, dern 12 sollen sein, so mitt dem römischen könig ziehen sollen, hetten zwar eine große despence thun wollen, allein der keyßer hette es ihnen verbotten undt ihren train limittirt. Der krieg kan nirgendts nichts guts außrichten. Die comissarie, so zu Rom meinen proces unter handen gehabt, haben fünfftzig daußendt thaller bekommen. Abbe Thessut hatt die quittancen in original gesehen; wie ers dem papst sagte, andtwortete der papst: Beklagt mich, daß ich mitt solchen gottloßen undt falschen bößen leütten umbzugehen habe, die daß recht umb gelt beygen! Aber daß unrecht zu ersetzen, da sprach er nicht von. Der abbé de Thessut ist viel betrübter umb die sach, alß ich; den so baldt ich gesehen, daß Monsieur die sach nach Rom geschickt, habe ich sie vor verlohren gehalten, also mein parthie so woll gefast, daß ich gar nicht drüber erschrocken, wie die zeittung ahngekommen ist. Ist dan keines von Ewern neuveux oder niepce raisonabel genung, umb Eüch zu schreiben können, ob ihr herr vatter geheüraht ist oder nicht? Den es were ja eine rechte verdrießliche sache, vor andere kinder alß Ewerer schwester ihre zu arbeitten undt mühe zu geben. Die faulle schreiber seindt recht verdrießliche leütte; meiner dochter herr ist auch so. Solte der duc de Schonburg geheüraht sein, werdet Ihr ihn schwerlich persuadiren können, seine teütsche gütter Caroline kinder zu laßen; den die, so ihn heürahten wirdt, wirdt auch waß vor ihre kinder haben wollen undt ihren accord im heüraht machen. Wie ich sehe, so geht Ewer proces gar langsam. Ich gestehe, es hatt mich auch recht gefrewet vor zwey jahren, daß auff meine solicittation der krumbfüßige Willich seinen proces verlohren hatt. Es ist leicht zu gedencken, daß, so baldt der krieg mitt Engellandt ahngehen wirdt, daß Ewer schwager wenig von [288] Loubert genießen wirdt. Ich habe nicht gehört, daß der fürst von Nassaw Siegen herkommen seye, aber woll, daß er im Haag, dem könig in Preussen seine erbschafft zu disputtiren. Hir seindt noch mehr, alß der printz de Conti, so ahn Oranien pretendiren; der duc de Villeroy, messieurs de Matignon undt der duc de Lesdiguiere pretendirens auch. Gott weiß, wem es endtlich bleiben wirdt. Daß der könig in Preussen den tittel genohmen, hatte mir ma tante schon geschrieben. Ich meinte, der graff von Warttenberg würde ma tante nicht abschlagen dorffen, wen sie von dem heüraht von Amelise gesprochen hette, man kan nicht ahntragen heyßen, weillen der graff von Wittgenstein die sach erst selber gewünscht undt begehrt hatt. Es were nur die obstaclen aplaniren gewest, welches sehr different ist. Ich glaube nicht, daß es bey unß menschen stehet, unß glücklich zu machen. Denen, die unßer herrgott zum glück vorsehen hatt, den wirdt nichts in ihrem standt schwer vorkommen; die aber, so unglücklich sollen sein, wirdt nichts in ihrem standt gefallen können; so gehts hier, liebe Louisse! Ich dancke Eüch sehr vor die vers, so Ihr mir geschickt habt. Ich findte es artig undt nicht so schlim, wie Ihr es findt; contrarie, es ist possirlich gegeben. Soltet Ihr noch mehr dergleichen pasquillen bekommen, bitte ich, sie mir zu schicken. Hir haben wir nun gantz undt gar nichts neües undt, umb wie die Hinderson zu sprechen, kan man sagen, daß alles nun gar schlapies ist. Morgen hoffe ich die Lenor bey mir zu haben; die wirdt mir woll waß neües mittbringen. Adieu, liebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Eüch undt Ewere geschwister allezeit lieb behalten werde!
P. S.
Ich weiß nicht, ob Ihr die hunde lieb habt undt woll werdt begreiffen können einen rechten chagrin, so ich just den tag gehabt, alß Ihr mir geschrieben; den mein liebtes hündtgen von allen, so Mione hieße, ist mir gestorben.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. Mai 1702 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 286–288
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0168.html
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