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Brief vom 17. Juni 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


172.


[292]
Versaille den 17 Juni 1702.
Hertzliebe Louisse, es wirdt mir ohnmöglich fallen, heütte auff alle Ewere liebe brieffe zu antworten, so ich in meiner wehrenden kranckheit entpfangen undt noch seyderdem; den ich bin zwar gesundt, aber noch unerhört matt. Seyder meiner aderlaß kan ich mich nicht erhollen; wen ich nur ein par hundert schridt gehe, muß ich mich gleich setzen undt bin matt undt müde; wen ich 4 oder 5 bogen schreib, werde ich auch matt, werde also nur auff Ewer letzten lieben brieff andtwortten von 8 dießes monts, aber hinfort fleißig schreiben. Meine kranckheit ist kurtz geweßen, ich habe aber viel dabey gelitten. Daß 3tagige fieber ist hir sehr a la mode. Monsieur le Dauphin hatt auch 3 acces gehabt undt ist dabey geblieben; er hatt sich durch daß quinquina courirt. Noch viel andere personnen mehr habens auch bekommen, alß mademoiselle de Lislebonne, monsieur de Duras undt noch andere mehr, deren nahmen Ihr nicht kent. Die duchesse de Bourgogne hats auch, aber nur ein acces gehabt, undt madame la duchesse d’Orleans zwey, wie mans in den gazetten gesetzt hatt, undt Ihr habt gar recht gedacht. Es gerewet mich recht, die complaisance gehabt zu haben, ader zu laßen; den die 23 acces vom fieber, so ich vergangen jahr gehabt habe, haben mich nicht so sehr abgematt, alß dieße aderlaß dieß jahr. Ich kan nicht wider zu kräfften kommen. Gott weiß, wens wider kommen wirdt, undt mein leben hatt mir nichts mehr gerewet, alß die complaisance vor dem docktor gehabt zu haben. Mitt schaden wirdt man weiß; man wirdt mich woll nicht mehr ertapen. Weillen ich kein fieber mehr habe, habe ich daß meledy-Kendt-pulver nicht mehr von nöhten. Der hunger ist mir gar nicht nach dem fieber kommen, eße weniger alß niemandts in Franckreich undt werde durch zu viel eßen nie kranck werden. Konte ich mein miltz so woll vor melancolie bewahren, alß mein magen von zu viellen speyßen, würde ich gesunder [293] sein, alß ich bin. Vor alle gutte wünsche dancke ich Eüch von hertzen. Man sagt, der schnupen seye gar gesundt. Ich wünsche, daß Ihr es verspüren möget, liebe Louisse! Die Frantzoßen haben mich, weillen sie bey Eüch wahren, auß politesse gelobt, umb Eüch einen gefahlen dran zu thun, weillen Ihr mich lieb habt; der leütte hir im landt ihrer liebe aber habe ich mich nichts sonders zu berühmen. Ich schicke Eüch zwar ein schreiben von Lenor, allein hinfüro werde ich fleißig auff Ewere schreiben andtwortten undt nicht nöhtig haben, daß jemandes anderst vor mich schreibt. Gutte nacht, liebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Eüch allezeit recht lieb habe!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. Juni 1702 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 292–293
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0172.html
Änderungsstand:
Tintenfass